: Außenminister blieben im Hotelzimmer
Im Streit zwischen Griechenland und Mazedonien ist die geplante „gegenseitige Anerkennung“ gar nicht erst diskutiert worden. Die erzielten Kompromisse sind offenbar nicht tragfähig ■ Aus Wien Karl Gersuny
Für Kiro Gligorov ist der Krieg in weite Ferne gerückt. Trotz der Eskalation in Bosnien gibt sich der mazedonische Präsident zuversichtlich: „Als einziger Nachfolgestaat Jugoslawiens wurde Mazedonien vom Krieg bisher verschont, und mit dem neuen ,O.K.‘ aus Athen werden wir jede weitere Krise meistern“. Ob der Mazedonier die Situation tatsächlich realistisch einschätzte oder doch die Skeptiker in seiner eigenen Regierungspartei recht behalten würden, sollte sich in dieser Woche entscheiden. Nach intensiver Vermittlung durch den US-Sondergesandten für den Balkan, Richard Holbrooke, hatten die mazedonische und die griechische Regierung „in den Grundfragen einer zwischenstaatlichen Anerkennung“ Einigung erzielt. Noch nie sei ihm während seiner Balkan- Mission eine Vermittlung so leicht gefallen, hatte Holbrooke geprahlt. „Beide Seiten gaben mir ein verbindliches O.K.“. Und um den Erfolg würdig zu feiern, lud der Amerikaner die beiden Außenminister flugs zur Unterzeichnung eines Abkommens nach New York zur UNO ein. Doch dort hockten die Außenminister lediglich in ihren Hotelsuiten herum. Die Gespräche wurden ohne Angabe von Gründen wieder abgesagt. Und ein neuer Verhandlungstermin steht auch noch nicht fest.
Athen und Skopje stecken in einem tiefen Dilemma: Obwohl die südlichste jugoslawische Teilrepublik Mazedonien nach dem Zusammenbruch der Vielvölkerföderation bereits 1991 seine Unabhängigkeit erklärte, wurde Mazedonien bisher von den europäischen Staaten nur „eingeschränkt“ anerkannt – aufgrund griechischen Drucks. Grundlage des Streitpunkts ist vor allem der Name Mazedonien. Nach dem Athener Standpunkt kann ein Staat nicht den gleichen Namen führen wie die nordgriechische Provinz Makedonien. Griechenland, das in der kommunistischen Tito-Ära an der gleichnamigen jugoslawischen Provinz Mazedonien keinen Anstoß nahm, nimmt nun seit 1991 den Namen, die Staatssymbole, die historische und ethnische Identität der Republik für sich in Anspruch. Athen pflegt das Feindbild eines panmazedonischen Chauvinismus und unterstellt der Regierung in Skopje trotz deren offizieller Dementis und Verfassungsänderungen noch immer territoriale Ansprüche auf Nordgriechenland. Die Sorge Skopjes um die dort lebende slawische Volksgruppe von je nach ideologischem Standpunkt etwa 20.000 bis 200.000 Slawo-Mazedonier kontert Athen mit der Konstruierung einer griechischstämmigen Minderheit von angeblich 250.000 Landsleuten in der „Republik Skopje“.
Der Streit eskalierte in den vergangenen Monaten sogar soweit, daß Athen gegen die Nachbarrepublik ein rigoroses Handelsembargo verhing und Handels- und Kulturabkommen der EU mit Skopje zu untergraben versuchte. Anfangs stieß Athen mit seinen Vorbehalten gegenüber der „Republik Skopje“ – so die griechische Umschreibung des Staatsnamens Mazedonien – bei den europäischen Verbündeten auf Verständnis. Doch als Griechenland im Balkankonflikt immer offener Partei für die Serben ergriff und Teile der politischen und kirchlichen Elite des Landes die Staatstheorie Belgrader Extremisten übernahmen, Skopje sei eigentlich ein Teil Südserbiens, verspielte Athen in Brüssel jeden weiteren Kredit. Mit Hilfe der Amerikaner sollte nun die große Aussöhnung stattfinden. Durch großzügige Wirtschaftshilfe und einer intensiveren Einbettung Mazedoniens in die westeuropäische Verteidigungsallianz, so das Planspiel westlicher Diplomaten, könnte Athen zum Einlenken gebracht werden. Angeblich sei ein Kompromiß im Namenstreit gefunden und die Aufhebung der Handelsblockade vereinbart worden. Mazedonien werde sich seinerseits an strikte Auflagen in der Wirtschafts- und Außenpolitik von seiten der EU und Nato halten, um ein Überschwappen des Bosnien-Krieges auf die Südhälfte des Balkans zu verhindern.
Ob die Verhandlungen nach diesem Wirrwarr nun in den nächsten Tagen in New York noch einmal aufgenommen werden können, erscheint eher unwahrscheinlich. Richard Holbrooke hat wohl doch etwas zu früh geprahlt. Er wird seine Hausaufgaben neu machen müssen.
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