■ Mit Autoprognosen auf du und du
: Penetrante Botschaft

Shell-Headquarter (taz) – „Diese Botschaft muß penetriert werden: Wir sehen die Entkoppelung von Emissionen und Fahrleistung. Die Technik ist entscheidend!“ Nein, feinfühlig ist die Wortwahl von Arno Reglitzky, Leiter Motorenbetriebsstoffe bei der Deutschen Shell AG, gewiß nicht. Mit der Message soll zielgenau zum IAA-Start eine von Autokritik und Ökosteuerfantasien durchseuchte Öffentlichkeit „penetriert“ werden.

Mehr Autos sind kein Problem. Bessere Kraftstoffe und Katalysatoren lösen das (Umwelt-)Problem. Benzinsteuern, Fahrverbote, Tempolimits und die Forderung nach dem 0,6-Liter-Auto, längst auf den Reißbrettern unabhängiger Ingenieure skizziert, sind überflüssig.

Vehikel solch froher Botschaften ist eine Studie zur PKW-Entwicklung in Deutschland von 1995 bis 2020, welche Shell gestern der Öffentlichkeit vorstellte. Die gewohnt bieder- seriöse Shell-Studie, die in ihren bisher 20 Auflagen seit 1958 die PKW-Entwicklung zumeist eher unterschätzte, sieht Autozahl und Fahrleistung bis zum Jahr 2010 nochmals kräftig klettern, vor allem, weil Frauen (plus 50 Prozent) und Menschen über 65 (plus 230 Prozent) ihren Motorisierungsrückstand aufholen. 50 Millionen Autos, ein Niveau, daß sich anschließend bis zum Jahr 2020 kaum noch ändern soll.

Alles kein Problem: Große Fortschritte in der Kat-Technik und ein allmählicher, aber hartnäckiger Rückgang des Benzinverbrauchs von heute 9,5 auf um die 5 Liter pro 100 Kilometer im Jahr 2020 sollen den Schadstoffausstoß um 60 bis 90 Prozent senken. Shell bewegt sich damit auf einem Argumentationspfad, den kürzlich auch die Internationale Vereinigung der Automobilkonstrukteure beschritten hat: Technik löst die Umweltprobleme, Verhaltensänderungen sind überflüssig.

Erstaunlich nur, daß seriöse Forschungsinstitute in ihren Trendeinschätzungen zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Erstaunlich auch: Unternehmensberaterpapst Roland Berger, gewiß grüner Gesinnung unverdächtig, forderte jüngst eine Benzinpreiserhöhung auf fünf Mark, damit die Automobilindustrie endlich in wirkliche Neuentwicklungen einsteige. Florian Marten