Schmusebuben

■ Offener Brief an die „Nationalgalerie“/ Sonntag Konzert im „Modernes“

Lieber Nils Frevert, liebe Instrumentalknechte!

Daß Ihr Euch seit einigen Jahren von Hamburg aus müht, die gitarrenlastige Popmusik, allen voran die deutschsprachige, „voranzubringen“, ist löblich. Kopflastig, aber konsumierbar tüdeltet ihr mit krummen Akkorden rum, drücktet eifrig die unteren beiden Gitarrensaiten bei Anschlagen der Wanderakkorde, auf daß ein permanenter Kammerton G eine Mollharmonie unterlegte. Gewöhnliches Songgeschmiede erhielt so einen Hauch Ungewöhnliches.

Eure Texte bewiesen Erfahrung in „Beziehungen“ und Reife – ihr schwärmtet für „Frauen“, nicht für Mädchen – auch, wenn all die Kontaktversuche auf liebenswürdige Art scheiterten. Aber das war ja Eurem Sänger Frevert ohnehin egal. „Evelyn, es ist genug/ wenn wir uns gut versteh'n“ textete er, und daß es im Grunde wurscht sei, ob man nun Lover, Kumpel oder Sachbearbeiter werde – damit könne Frevert schon „irgendwie umgehen“. Eines Eurer Erfolgsgeheimnisse dürfte sein, daß man dem Frevert wegen seiner Nöhl- und Schmusestimme die Rolle des gutherzigen Weicheis gerne abnimmt. Daß Kritiker sowas lieben, ist ihr Job: Die Nationalgalerie paßte perfekt in die Schublade „Bestimmt das nächste große Ding“.

Allzu groß wurde das Ding dann doch nicht. „Erdiger“ wurde der Sound, eine Quietscheorgel kam hinzu. Den Sound auf „Wilder Westen“ trimmen, wo doch die hiesige Szene auf der letztjährigen „Popkomm“ lieber was in Richtung Peter Maffay zum Befeiern haben wollte – kein Wunder, daß sich da statt der aufgefrischten „Nationalgalerie“ eine unkompliziertere Ruhrpottkombo durchsetzte und nun „Seligs“ statt Eurer Visagen auf „Viva“ und MTV flimmern. Wen die Kritiker lieben, der wird eben niemals reich. Aber damit könnt ihr bestimmt auch „irgendwie umgehen“. Vielleicht seid Ihr ja nächstes Jahr wirklich das nächste große Ding.

Euer Lars Reppesgard

Sonntag, 20 Uhr, Modernes