Stars ohne Sternstunden

■ Mit dem Sechsteiler "Der Clan der Anna Voss" will Sat.1 an die großen medialen Epen anknüpfen - doch so richtig originell wird's nicht. Start: Samstag, 20.15 Uhr

Konfrontiert mit wirklich schlagfertigen Menschen, mit jenen also, die noch in den tiefsten Abgrund einen smarten Spruch zu schicken wissen, haben Normalsterbliche gemeinhin zwischen zwei Gefühlslagen die Wahl: Haß oder Bewunderung. Die Mitglieder des „Clan der Anna Voss“ nötigen uns (denen die wirklich coole Entgegnung immer erst am nächsten oder übernächsten Morgen einfällt) diesbezüglich keine Entscheidung ab. Sie alle sind mega- unoriginell.

„Morgen soll's doch regnen“, sagt Heldin Anna Voss zu ihrem Mann, wenn sich tiefgraue Wolken am Himmel zusammenziehen. „Du bist doch wohl nicht ganz dicht“, meckert Paul Voss seinen Gestütsleiter an, der ihm auf Wunsch seiner Tochter ein neues 1,5-Millionen-Springpferd unterjubeln will, und „Du hast ja 'nen Zahn drauf wie auf dem Nürburgring“, schäkert Lukas Mendel, wenn seine Oma mit ihrem gelben Jeep den Weinberg durchkurvt. Ist es gute Unterhaltung, wenn Serienstars so gar keine Sternstunde haben dürfen?

Sechs mal neunzig Minuten in den kommenden elf Tagen haben wir jedenfalls üppig Zeit, uns bei Vossens auf SAT.1 erneut von der Richtigkeit einer alten Fernseh- und Lebensweisheit zu überzeugen: Im Clan gibt's immer Zoff – besonders wenn's ums Geld geht. Gezankt und vertragen wird sich im Sechsteiler irgendwo zwischen „Abenteuern und Vodoo in Kenia, Festen in Südfrankreich, Bankrott im badischen Rebland und Korruption in Berlin“ (Presse-Info). Die Aura von Horst Buchholz (Paul Voss, schlecht) und besonders von Maria Schell (Anna Voss, gut), beide schließlich mit Erinnerungen an eine Zeit der echten medialen Epen verknüpft, reicht nicht aus, um den Zank um Erbe, Liebe und Konzern in ein solches zu verwandeln. Als besonders hinderlich erweisen sich dabei der in allen Gesprächspausen abgenudelte Titelsong („Free like an eagle“) von Yvonne Moore, die in Wirklichkeit Jennifer Rush sein muß, und der selten unseriöse Vor- und Nachspann. Im Abspann der eher gemächlichen ersten Folge („Das Testament“) ist unter vielem anderen Lukas Mendel, bis dahin eine Art Thommy Orner auf Valium, im Bett mit Pauls Frau Viktoria zu sehen.

Das kommt sehr plötzlich. Es ist, als wolle der Regisseur, indem er uns ein wenig zum Kombinieren mit auf den Weg gibt, ein Versäumnis im Zeitraffer nachholen. Wir ahnen, daß es so linear und geordnet, wie es obenstehender Stammbaum vermuten läßt, nicht weitergehen wird, müssen aber auf die nächste Folge warten. Neunzig lange Minuten vorher haben uns Herbert Ballmann (Regie) und Knut Boeser (Buch) so wenig zugetraut wie ihren Figuren.

Zwischen Anspielung und Bestätigung derselben hatten wir kaum Zeit zum Blinzeln. Pauls Sohn Jan sehen wir beispielsweise das erste Mal im Bett liegend, über dem deutlich sichtbar ein Rimbaud-Poster mit der Aufschrift „Denn ich ist ein anderer“ pinnt. Bevor wir das Böse ganz zu Ende ahnen können, hat Jan auch schon sehr süchtig zur Tablettenpackung gegriffen.

Irgendwie „free“ werden also neben den gradlinigen im Verlauf der Geschichte jede Menge Querverbindungen eingegangen, und genau diese und nicht die Konzernkomplikationen sollen Spannung garantieren. Gut geplant, nur leider schrumpft dadurch, daß das XX/XY-chromosomale Beziehungsmuster streng beibehalten wird, die Kombinationsmöglichkeit zwischen unseren zwölf Spielfiguren erheblich. Wir sind hier jedoch nicht auf SAT.1 und stellen Ihnen die Genealogie der Vossens zur freien Verfügung. Ja, werden Sie Soap-BundestrainerIn und genießen Sie beim Gucken des Clans das Gefühl, daß Sie das ja wohl wesentlich besser hingekriegt hätten. Claudia Thomsen

Hier die weiteren Clan-Termine: Sonntag, 17. 9./ Mittwoch, 20. 9./ Samstag, 23. 9./ Sonntag, 24. 9./ Mittwoch, 27. 9., jeweils um 20.15 Uhr