Cardoso will Geld in Bonn

Weltbank-Programm sucht nach wirtschaftlichen Alternativen für Amazonien. Deutsche Umweltorganisationen kritisieren Regierung  ■ Aus Brasilia Astrid Prange

Die Zauberformel „nachhaltiges Wachstum“ (sustainable development) hat ihren magischen Klang verloren. Drei Jahre nach der UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro wissen weder die brasilianische Regierung noch die regierungsunabhängigen Organisationen (NRO) und auch nicht die Weltbank wie umweltverträgliches Wirtschaftswachstum im brasilianischen Amazonas in die Praxis umgesetzt werden kann.

Nun richten sich die Hoffnungen auf das bereits im Jahre 1991 in Houston auf dem G-7-Gipfel beschlossene Pilotprogramm für den Amazonas. Zwei Drittel des 250-Millionen-Dollar-Förderprogramms stammen aus der Bundesrepublik Deutschland. Brasiliens Präsident Fernando Henrique Cardoso will seinen morgigen Staatsbesuch in der Bundesrepublik dazu nutzen, noch mehr Geld zu bekommen. „Mit 250 Millionen Dollar kann man im Amazonas nicht viel ausrichten“, räumt der bei der Weltbank für die Koordination des Pilotprogramms zuständige Robert Schneider ein. José Edil Benedito, Koordinator des Pilotprogramms auf der Seite der brasilianischen Regierung, bestätigt die allgemeine Ratlosigkeit: „Kein Mensch auf dem ganzen Planet weiß, wie umweltfreundliches Wirtschaftswachstum in der Praxis aussieht.“

Mit den Weltbankmitteln sollen zahlreiche Projekte von brasilianischen NRO gefördert werden, die Forst- und Landwirtschaft in der Amazonasregion miteinander verbinden.

Doch nicht nur die extreme Weltbankbürokratie verärgert NRO-Vertreter. Auch die undurchsichtige Haltung der brasilianischen Regierung in bezug auf die Markierung von Indianergebieten sorgt für Kritik. „Wenn die Markierung von Indianergebieten nicht beschleunigt wird, verliert das Pilotprogramm noch mehr an Glaubwürdigkeit“, warnt der Vorsitzende der internationalen Beratergruppe, Gerd Kohlhepp.

45 deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen veröffentlichten gestern einen Brief, in dem sie der brasilianischen Regierung einen „Rückfall in ökologische Mittelalter“ vorwarfen und mehr Rechte für die Indianer sowie einen verbesserten Schutz des Regenwaldes forderten.

Die brasilianische Regierung bestreitet solche Vorwürfe: Präsident Cardoso habe erst kürzlich die Ausweisung von acht Indianer- Reservaten von insgesamt 237 000 Hektar unterzeichnet, sagte ein Sprecher aus dem zuständigen Justizministerium. Daß es möglich ist, im tropischen Regenwald umweltfreundlich zu wirtschaften, beweist nach Ansicht der Amazonas- Senatorin der Arbeiterpartei PT, Marina da Silva, das international bekannte Projekt „Reca“ aus dem Bundesstaat Rondonia. Mit Hilfe der katholischen Kirche kultivieren dort Kleinbauern auf einem Gut tropische Obstarten wie Cupuaçu, Açai und Acerola. Gleichzeitig wurden auf der bereits abgerodeten Fläche Palmen, Paranußbäume und Kakaosträucher angepflanzt.

„Die Regierung müßte diese erfolgreichen privaten Initiativen zur offiziellen Politik für den Amazonas machen“, fordert sie. Zusammen mit Brasiliens Ureinwohnern macht sich die Senatorin auch für Edelhölzer-Moratorium stark. Doch auch sie räumt ein: „Ich habe keine Antwort darauf, was die Alternative zu dem Raubbau ist ...“