Heute schon gelogen, Herr Minister?

■ Innenminister Manfred Kanther lügt, sagen Kirchenvertreter. Die in den Sudan abgeschobenen Asylsuchenden wären in Eritrea aufgenommen worden

Bonn (taz) – Innenminister Manfred Kanther lügt. Das sagen Kirchenvertreter, die versucht hatten, für die sieben inzwischen abgeschobenen Sudanesen eine neue Heimat in Eritrea zu finden. Der Leiter des Frankfurter Flughafen-Sozialdienstes, Stefan Hippler, erklärte gestern, daß Kanther am Dienstag, dem Tag der Abschiebung, „definitiv wußte, daß Eritrea die Sudanesen aufnehmen will“. Sogar die Aufnahmemodalitäten seien mit dem Bonner Ministerium abgesprochen gewesen.

Genau das bestreitet Kanthers Ministerium. Gestern wies ein Sprecher in Bonn erneut die Behauptung zurück, wonach Minister Manfred Kanther von der Möglichkeit informiert gewesen sei, die in letzter Instanz abgelehnten Asylbwerber in ein anderes Land fliegen zu lassen. Es habe am Dienstag weder eine schriftliche noch eine mündliche Zusage aus Eritrea oder einem anderen Land vorgelegen, erklärte der Sprecher.

Stefan Hippler vom Flughafen-Sozialdienst in Frankfurt/Main bestritt gestern gegenüber der taz diese Behauptung: „Das ist gelogen.“ Der Sprecher der Evangelischen Landeskirche Hessen-Naussau, Joachim Schmidt, sagte der taz, sein Bischof habe das Ministerium per Telefax rechtzeitig vor der Entscheidung über eine mündliche Zusage aus Eritrea informiert. Außerdem habe er Minister Manfred Kanther eine schriftliche Zusage für den nächsten Tag in Aussicht gestellt.

Hippler zufolge wußte Kanther nicht nur von der mündlichen Zusage des eritreischen Außenministers. Er habe sogar Details der Aufnahmemodalitäten gekannt, wie etwa die Absicht Eritreas, die Sudanesen das Asylverfahren durchlaufen zu lassen.

Der Botschafter Eritreas in der Bundesrepublik, Wolde-Mariam Goytom, hatte gegenüber der taz schon am Mittwoch erklärt: „Ich habe dem Bundesinnenministerium gesagt, daß wir noch einen Tag warten müßten, um eine schriftliche Zusage zu erhalten.“

Der erste Sekretär der Botschaft, Petros Tseggai, wiederholte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, der Botschafter habe „jede Minute“ auf das Ja aus Eritrea gewartet: „Der Sudan hat lange Jahre so viele unserer Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, daß wir jetzt auch bereit sind, Sudanesen zu empfangen.“

Kirchenvertreter und Oppositionspolitiker halten das Vorgehen des Innenministers für eine Demonstration seines Machtanspruchs: Trotz der Aussicht auf eine für die Flüchtlinge günstigere Lösung habe er auf Eile gedrängt und eigens eine Chartermaschine für die Abschiebung in den Sudan geordert.

Der Evangelische Regionalverband, dem der Frankfurter Sozialdienst untersteht, hat allerdings eine vom Sozialdienst am Dienstag ans Innenministerium geschickte Nachricht über eine vorliegende Aufnahmezusage Eritreas inzwischen als „Mißverständnis“ bezeichnet und dementiert. Nach wie vor gültig sei aber die Nachricht über eine mündliche Aufnahmezusage, die vom Sozialdienst über die Evangelischen Kirche Hessen-Nassau an Kanther geschickt worden sei, erklärte Joachim Schmidt.

Kanthers Alleingang sorgt nun jetzt in der christlich-liberalen Koalition für harsche Kritik. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler sagte dem Kölner Express, es wäre „wünschenswert“ gewesen, wenn Manfred Kanther „jeglichen Spielraum ausgenutzt und bis Freitag gewartet hätte“. „Vielleicht hätte es eine andere Möglichkeit der Ausreise gegeben. Der Rechtsstaat wäre dadurch nicht verletzt worden.“ vw/mon