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Bei den Blue Devils wird das Spiel zur Party

■ Zum sechsten Mal wird Düsseldorf deutscher Meister im American Football

Braunschweig (taz) – „Es ist keine hundertprozentige Katastrophe, aber auch keine hundertprozentige Erfüllung“, kommentierte Axel Gernert, Präsident des Hamburger Football-Vereins Blue Devils, die 10:17-Niederlage seiner Mannschaft im Finale um den Deutschen Meistertitel, den die Düsseldorfer Panther zum sechstenmal errangen. Dabei lächelte er zufrieden. Ebenfalls zufrieden ist der Präsident des American Football Verbandes Deutschland (AFVD), Roland Wingenroth: über das Spiel, vor allem aber über die Tatsache, daß im März 1995 den Blue Devils der Quereinstieg in die 1. Bundesliga gestattet wurde und diese Finalpaarung überhaupt erst ermöglichte.

Noch vor über einem Jahr waren sich Verband und Gernert wegen konträrer Vorstellungen über die Entwicklung des deutschen Footballs spinnefeind. Während der AFVD und mit ihm die meisten Vereine das Schwergewicht traditionell auf den sportlichen Bereich legten – Anheben des spielerischen Niveaus oder Förderung der Jugendarbeit –, hatte Gernert bereits Jahre vorher erkannt, weshalb Football oder Basketball in den USA so beliebt sind: Die Zuschauer wollen nicht nur athletische Leistungen bewundern, sie wollen unterhalten werden. Und sie sind bereit, dafür zu zahlen. Er entdeckte, daß sich mit diesem Sport viel Geld verdienen ließ.

Mit einem attraktiven Rahmenprogramm, dessen wichtigste Bestandteile neben Eß- und Trinkständen, Show- und Musikeinlagen, die Fanartikelshops sind, wurde aus dem Football-Spiel eine Football-Party, die als gesellschaftliches Ereignis die HanseatInnen in Strömen anlockte, zuerst zu den Silver Eagles und später in Massen zu den Blue Devils. Und für entsprechenden Umsatz sorgt. Dahinter steht eine straffe Organisation und eine intensive PR-Arbeit. Als ausgebildeter Journalist weiß Gernert, was die Medien wollen: Ob private Ereignisse der Spieler wie Hochzeiten oder die Unterstützung von Wohltätigkeitsaktionen wie „Hamburg Leuchtfeuer“, alles wird eingesetzt, um die Identifikation der Fans mit dem Verein zu fördern. Der Lohn: Beim DM-Finale am Samstag waren über die Hälfte der 12.125 ZuschauerInnen treue Devils-Anhänger, die mit zwei Sonderzügen von Hamburg nach Braunschweig gereist waren.

Axel Gernert, der sich selbst gerne als Football-Wohltäter sieht, betreibt den Sport als knallhart kalkulierender Geschäftsmann: Mit einer geschickten Auswahl von internationalen Gegnern, deren tatsächliches Niveau nur eine Handvoll Insider kannte, baute er die Blue Devils zu einem „europäischen Top-Team“ auf. Und bastelte 1994 die Football League of Europe (FLE) um sie herum. Obwohl die FLE eine Pleite war, hatte Axel Gernert erreicht, was er wollte: den Quereinstieg in die 1. Bundesliga unter Umgehung des unattraktiven Aufstiegs durch fünf Ligen, der keinen Gewinn einbringt. Inzwischen gehören ein American-Food-Restaurant, ein Fitneßstudio sowie ein Fanartikelversand zu seinen Fanartikelversand zu seinen Privatunternehmungen, die aufs engste mit dem Namen Blue Devils verbunden sind, aber geschäftlich nicht zum Verein gehören. Und mit dem Vizetitel hat der zufrieden lächelnde Gernert bewiesen, daß auch sportlich mit seinem Team zu rechnen ist. Edwin Feindt

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