Seid furchtbar und wehret Euch

■ Jonglieren mit drei Bällen: Das Buch zur Frau in der Bürgerschaft Von Silke Mertins

„Paula, du mußt Senator werden“, war der damalige Bürgerschaftspräsident Adolph Schönfelder überzeugt. Und sie wurde: Von 1946 bis 1953 und dann noch einmal von 1957 bis 1961 war Paula Karpinksi „Senator der Innenbehörde“. Auch die heutige Präsidentin der Bürgerschaft, Ute Pape, ist nach den Buchstaben der Hamburgischen Verfassung eigentlich nur ein „Präsident“. In der Praxis soll jedoch die jeweilige Form angewendet werden, die der tatsächlichen Besetzung entspricht. „Immerhin!“ lobte gestern Ute Pape diesen Fortschritt im Gänsemarsch. Der Anlaß ihrer Worte war nicht zufällig: Aus Bürgerschaft war zum ersten Mal eine Bürgerinnenschaft geworden, als gestern das noch druckfrische Buch „Ich habe Jonglieren mit drei Bällen geübt“ – Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft, 1946 bis 1993, vorgestellt wurde.

Von den ersten weiblichen Abgeordneten, über hochintelligente Bild-Aktionen wie „Wer wird Miß Bürgerschaft“ bis hin zur legendären GALischen Frauenfraktion haben die beiden Autorinnen Inge Grolle und Rita Bake in liebevoller und aufwendiger Recherchearbeit Details und Analysen zusammengetragen. Herausgekommen ist ein ebenso vergnügliches wie informatives Werk, das viele Politikerinnen aus fast fünf Jahrzehnten selbst zu Wort kommen läßt, das Aufschlußreichste aus Parlamentsprotokollen und Presseberichten präsentiert und die Lebensläufe aller weiblichen Bürgerschaftsabgeordneten zum Nachschlagen aufbereitet hat. Fürs Auge und zum Blättern gibt's eine wunderbare Fotosammlung: Frauen, die lauthals dazwischenrufen, Heidemarie Schwerweit-Müller, die Bürgermeister Voscherau beim Alster-Lauf überholt, oder GALierin Heike Sudmann beim Naschen in einer Bürgerschaftssitzung.

„Der Frauenanteil in der Bürgerschaft ist in Zahlen größer geworden“, – es ist inzwischen rund ein Drittel – doch noch immer werde „aus Männersicht bewertet“, so die Autorinnen. Sozialpolitische Sprecherinnen gelten noch immer als Anhängsel der gewichtigeren Themen wie Finanzen, Wirtschaft oder Innenpolitik. „Uns geht es darum, daß alle Ressorts gleichwertig behandelt werden“, so Rita Bake. „Auch Männer sind lernfähige Systeme“, stellt Bürgerschaftspräsidentin Pape erstaunt fest; eine geschlechtergerechte Amts- und Verwaltungssprache sei inzwischen beschlossen.

Die Hamburger Parteien klammern sich da schon erheblich zäher an die Männerseilschaften: Weder die SPD, noch die CDU oder die Statt Partei und noch nicht einmal die GAL haben derzeit eine Frau an der Spitze. Und noch vergangene Woche auf der Landespressekonferenz wandte sich Bausenator Eugen Wagner an „die Herren der schreibenden Zunft.“ Willkommen, Senatorin Wagner, im 20. Jahrhundert.

Inge Grolle, Rita Bake: „Ich habe Jonglieren mit drei Bällen geübt“, Hrsg. Landeszentrale für politische Bildung