Sanssouci
: Nachschlag

■ Rheinisch-schriller Bockmeyer-Trash im Tränenpalast

Was zum Geier ist eine Samenbankmörderin, mag sich mancher angesichts des schaurig-naiven Plakats fragen, das für Walter Bockmeyers Grusical „Elvira – Die Samenbankmörderin von Burg Gerolstein“ wirbt. Nach zweieinhalb Stunden schriller Mischung aus Camp, Comic, Kitsch, Travestie, Schlager- und Discoparodien und einem Grundkurs in Tuntenkörpersprache ist die Frage zwar nicht hinreichend beantwortet, aber zumindest die Samenbank tauchte auf und gemordet wurde auch.

Der Trashkultregisseur Walter Bockmeyer, der zusammen mit Partner Rolf Bührmann die „Entenproduktion“ gründete, hat sich mit seiner eigenwilligen Adaption der „Geierwally“ und Stücken wie „Richards Korkbein“ und „Sissi – Beuteljahre einer Kaiserin“ einen Namen gemacht. In Köln hat er eine treue Fangemeinde – nach Berlin ist sie ihm offenbar nicht gefolgt. Der Abend beginnt mit der freundlichen Bitte, die Requisiten, die vornehmlich als Wurfgeschosse dienen, doch nach Begutachtung wieder auf die Bühne zu legen. Schon nach wenigen Minuten fliegen die ersten Schaumstoffphalli, aber leider: „Meine Damen, Sie können damit nichts anfangen, die sind viel zu weich, reichen Sie sie bitte auch an interessierte Herren weiter!“ So jagt eine Zote die nächste, eifrig frönt das vierköpfige Ensemble der Losung „Schlechter Geschmack ist besser als gar keiner.“

Die Rahmenhandlung: Elvira, nymphomanische Mutti und Krankenschwester, wird nach einem Intermezzo mit dem Vampirgrafen Gerolstein zur Blutsaugerin und nach übermäßigem Genuß von Blutkonserven zum Dienst in die Samenbank versetzt. Dort lernt sie einen Metzger kennen, der seine Spende gleich eimerweise abgibt, und fortan stillt Elvira ihren Blutdurst in seiner Fleischerei. Diese abstruse Geschichte wird immer wieder unterbrochen, um sich dem eigentlichen Thema zu widmen, das da heißen könnte: „Der Tanz um den Megaschwanz“. Hätten die Darsteller ihre Köpfe nicht mit Perücken gekennzeichnet, die ständig runterfallen, könnte man annehmen, daß es sich um verselbständigte Unterleiber handelt, die sehr gekonnt, aber auf Dauer doch ziemlich ermüdend agieren.

Elvira (Bernhard Hofmann) beherrscht eine meisterhafte Tuntenkomik, der Graf (Marcos Schlüter), Sohn Bodo (Thomas Grünberg) und seine Verlobte Gabi (Ulrike Hensel) haben auch unbestreitbar Talent zum Grotesken. Aber warum meint Bockmeyer eigentlich, der rheinische Dialekt sei an sich schon komisch? Mit abgeschmackten Witzen à la „Kommt 'ne Frau zum Aaazt“ wird der Abend unnötig in die Länge gezogen. Zwischendurch jede Menge Ekeleinlagen, Gewichse, Gekotze und Gemetzel, bloß irgendwas Neues hat das Grusical nicht zu bieten. Ein schrilles Bravourstück der Comedy? Naja, wer's mag ... Anne Winter

Bis 20.10., Mi-So, 20.30 Uhr, Tränenpalast, Bahnhof Friedrichstraße, Mitte