Ihr müßt's auf den Gustl hören!

Das Pokal-0:1 gegen Schalke 04 soll den aufstrebenden VfB Leipzig lehren, intensiv den Kommandos des Wiener Trainers Starek zu lauschen  ■ Aus Leipzig Peter Unfried

So schreit einer, der mit dem Herzen dabei ist: „Elfmeter“, rief der Mann vom Funk zehn Minuten vor dem Ende. Und riet seiner Kundschaft aufgeregt dies: „Macht die Oogen zu!“ Er selbst tat es selbstverständlich auch – doch was nützte es? Der Leipziger Steffen Heidrich lief an, schob flach nach links, da lag aber schon Schalkes Lehmann – und also war Leipzig mit 0:1 aus dem Pokal draußen.

Was Gustl Starek (50) angeblich kaum bekümmerte. Der Wiener, dem sie in Leipzig huldigen, schüttelte dennoch recht verdrießlich seinen Kopf. „Hätte auch ein Tor sein können“, sprach er, „is' ja kein Problem.“ Ein Problem wäre es erst, wenn der Schütze eigentlich nicht der Schütze hätte sein sollen. „Dazu“ sagte Starek, „möchte ich mich nicht äußern.“ Sollte Heidrich, der sonst prima spielte, nicht? Obwohl er sonst immer soll und trifft? Irgendwie schon beziehungsweise irgendwie nicht, „beziehungsweise ein anderer wollte nicht“, formulierte der Trainer. Wer hörte nicht auf sein Kommando? „Ich wollte mich nicht reindrängeln“, sagte hierzu befragt der Recke Matthias Lindner, „auch wenn der Trainer gerufen hat.“

Was den dann doch wohl ärgerte: „Wir haben die Möglichkeit vorgefunden“, sprach er, „das Spiel für uns zu entscheiden.“ Und es nicht getan. Wo einiges dafür gesprochen hatte, den Tag zu nutzen, um der Republik die Rückkehr des Leipziger Fußballs anzukündigen. Der VfB nähert sich richtigem Fußball, steht derzeit auf einem Aufstiegsplatz der Liga zwo, nur gemerkt haben's noch nicht alle. In Leipzig immerhin schon. Draußen in Probstheida, wo man zu Hause ist, im Süden der Stadt, da war der Laden zwar nicht voll, aber angenehm gefüllt. Kommt öfter vor, neuerdings. Den Konkurrenten Sachsen aus dem Stadtteil Leutzsch, vormals „Schemie“ geheißen, hat man in der Zusehergunst derzeit abgehängt.

„Der VfB“, sagte Schalkes Trainer, der Leipziger Jörg Berger, hinterher, „hat das Potential, in die Bundesliga aufzusteigen.“ Sagt man gerne, wenn man höflich ist. Stimmt's ? Sagen wir so: Jenes, ein kaum mediokres Erstligateam wie Schalke zu Hause zu schlagen, allemal. Jörg Berger hatte den VfB besichtigt, er zeigte es mit den Fingern seiner Hand an: „Dreimal!“ Der wußte, „daß die ganz gefährlich sein können“, Hinterher tat er ein bisserl so, als sei nichts gewesen. Den Unterschied in solchen Spielen nennt man bekanntlich gerne und nichtssagend Cleverneß. Aber die Schalker waren nicht clever, sie waren nur fade – und machten dazu dilettantische Fehler. Warum? Dooley fehlt, Büskens, Thon und Kurz mußten verletzt raus, „wir kommen nicht dazu, uns zu stabilisieren.“ Sagt Berger. Die Abwehr, Ausnahme Lehmann, taugt derzeit höchsten Ansprüchen nicht.

Das zu tun, ist das Ziel von Gustl Starek. Er selbst war als Kicker erstligatauglich, bei Nürnberg und dem FC Bayern. Und ahnt nicht erst, seit man beim Hamburger SV von ihm Notiz genommen hat, daß er es auch als Trainer früh genug sein wird. Doch ist es auch das Team? „Wir haben zwei, drei Spieler, die sich noch nicht dem höheren Niveau anpassen.“

Manche können's nicht, doch wenn einer es kann und nicht auf den Gustl hört, wird der erst richtig fuchsig. Guido Hoffmann (29), einst bei Lautern Meister der Spaßvögel, dann verschwunden, erlebt auf der linken Seite eine Renaissance. Zuschauer und Lokalblatt tags darauf mochten nicht verstehen, warum der Trainer den begabten Passer und Vorlagengeber aus dem Spiel nahm. „Ich brauche auch Leute, die mit zurückkommen“, sagt dazu Starek, „der ist immer vorne stehen geblieben.“ Und nun ist er sauer, wegen der Auswechslung? Das, sagt der Trainer „ist mir ganz egal. Ich bin auch sauer – weil wir verloren haben.“ Also doch!

Geht man zum Manager Pete Dietze und fragt ihn, ob dieses nun ein besseres oder eher schlechteres Spiel des VfB gewesen sei, so zuckt der umtriebige Akademiker nur die Schultern und sagt: „Vom spielerischen Niveau war es ein besseres, von der Chancenauswertung ein schlechteres.“ Das Spiel, das als Reifetest gedacht war, hinterläßt Rätsel: Kann man oder kann man nicht? Kann man in Probstheida Identität schaffen, die der ungeliebte Vorgänger namens Lokomotive kaum hatte, und die, falls doch, im Zentralstadion vollends verlustig ging? Anwort: Sieht so aus. Kann man den Starek Gustl halten, der das Team von Vorgänger Woodcock vor einem knappen Jahr als abgeschlagenen Fast-Absteiger übernahm und von dem offenbar einiges abhängt? Antwort: Wird wohl auch von Bedarf und Geschmack der Bundesliga abhängen. Die entscheidende Anschlußfrage, falls ja: Kann Starek alle dazu bringen, auf ihn zu hören? Nun: Gegen Ende des Spiels, schon resigniert, stand er von seiner Bank auf und schrie dem entfernten Torhüter, die aufs Feld geworfenen Girlanden beiseite zu räumen. Doch auch Jens Lehmann hörte nicht auf ihn. Is' aber kein Problem: Der spielt ja auch bei Schalke.

VfB Leipzig: Kischko - Edmond - Lindner, Werner - Wulftange, Heidrich, Wittke (73. Kujat), Däbritz (64. Weichert), Hoffmann (64. Opoku) - Bärwolf, Rische

Schalke 04: Lehmann - Thon (37. Ksienzyk) - Linke, Kurz (61. Scherr) - Latal, Nemec, Eigenrauch, Anderbrügge, Müller (77. Prus) - Weidemann, Mulder

Tore: 0:1 Mulder (62.),Zuschauer: 11.300