„Sie ist die Mutter Courage der Finanzen“

■ Nachfolgerin Margarethe Nimsch heimste selbst von Christdemokraten Lob ein

Die Frau hat was mit „Tagesthemen“-Moderatorin Sabine Christiansen gemeinsam: Beide servierten Longdrinks auf Langstreckenflügen, bevor sie zu öffentlichen Personen wurden. Von der Stewardeß zur Ministerin: Die 55 Jahre alte Margarethe Nimsch soll, so wollen es ihre Parteifreundinnen und -freunde, die gestern zurückgetretene Iris Blaul ersetzen. Böse Zeitgenossen lästern schon jetzt: „Hoffentlich bringt sie nicht auch die Hessische Landesregierung zum Platzen.“

Denn die rot-grüne Stadtregierung in Frankfurt am Main, wo Nimsch zuletzt als Gesundheitsdezernentin eine republikweit vorbildhafte Drogenpolitik praktizierte, war im März an ihrer Person gescheitert. Entgegen der Absprachen in der rot-grünen Koalition hatten drei Abgeordnete des Römer-Parlaments die Gesundheits- und Frauendezernentin Nimsch (Bündnis 90/Die Grünen) in geheimer Wahl abgewählt – Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) hatte sich mal wieder „Schweinen in den eigenen Reihen“ gegenübergesehen und verlor seinen Job.

Als Gesundheitsdezernentin hatte Margarethe Nimsch geschafft, was vielen Politikerinnen nie gelingt: daß selbst Parteifeinde ihre Arbeit lobten. Frankfurts Drogenpolitik hat der Stadt weltweit Anerkennung verschafft.

Durch Kritik, oft auch bitterböse, hat sich Nimsch nie abbringen lassen von ihrem Einsatz für Fixerräume und ein ausgeklügelt- effizientes Methadonprogramm. Sie haßt parteitaktische Polemik und liebt die konstruktive Kommunikation – noch nie hat man Nimsch mit erhobener Stimme reden hören. In Zeiten wie diesen wird solch ein Berufsethos schnell als Schwäche ausgelegt, doch damit kann Nimsch leben. Ihr Projekt „Heroin auf Krankenschein“ indes ging selbst den tolerantesten Christdemokraten zu weit; es blieb beim bloßen Wunsch.

Reichlich spät begann Nimschs Kampf für eine gerechtere Welt: Anfang der siebziger Jahre ersuchte sie bei den Frankfurter Spontis um Aufnahme in den „Revolutionären Kampf“ (RK). Ein Kämpfer von damals erinnert sich heute: „Sie sah schick aus und roch so gut.“ Später flog sie als Stewardeß durch die weite Welt und heiratete einen amerikanischen Piloten, als andere noch gar nicht auf die Idee kamen, die Ehe als „bürgerliche Institution“ abzulehnen. Ab 1977 arbeitete sie in der ersten Frankfurter Frauensozietät als feministische Rechtsanwältin.

Als Frauendezernentin schrieb sie außerdem Stadtgeschichte: Nimsch war es gelungen, antichambrierend und mit viel Contenance, fünf Millionen Mark Jahresetat für Frauenprojekte loszueisen – republikweit der höchste. In Frankfurt sprach man zuletzt so über sie: „Sie ist die Mutter Courage der Finanzen.“ itz