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SanssouciNachschlag

■ Ensemble Modern im Musikprogramm zu "Berlin-Moskau"

Das Ensemble Modern in Ekstase Foto: R. Owsnitzki

Wie soll man auf die Musik achten, wenn sich Filmbilder dazugesellen und dem Klang die Schau stehlen? Notfalls muß man eben die Augen zumachen. Schließlich war im Konzerthaus das berühmte „Ballet méchanique“ von George Antheil zu hören, das allerorten als frühe Pionierleistung einer neuen Klangästhetik gerühmt, aber nie aufgeführt wird.

Doch dazu kam eben der Film von Fernand Léger und Dudley Murphy aus dem Jahr 1924. Tanzende Schneebesen, wirbelnde Hüte, Turbinen, Maschinen, Zahlen. Hart geschnittene Bilder, Schlag auf Schlag. Grell. Laut. Laut? Zu den Bildern kam ja noch die Musik, vier Klaviere plus Schlagzeugapparate hämmerten auf das Publikum ein. Ein Propeller dröhnte, Klingeln schrillten. Eine bedrohliche Maschinerie aus Klang. Zerhackte Zeit, die den Menschen ins Getriebe hineinzieht und zermalmt. Im Film klappen Augen auf und zu. Isolierte menschliche Gebärden, die inmitten dröhnender und entseelter Materie merkwürdig obszön wirken. In dieser Welt ist der Mensch erschreckend antiquiert.

Gegenüber solchem Angriff auf Leib und Leben wirkte die „Chinese Opera“ von Peter Eötvös (der das Ensemble auch dirigiert) wie eine Trutzburg der Zivilisation, eine wunderbare Musik aus dem Jahr 1986 über Kommunikation und Sprache, humorvoll und ernsthaft, archaisch und hochdifferenziert zugleich. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ an diesem Abend jedoch der neue Film des amerikanischen Videokünstlers Bill Viola zu dem bereits 1954 als Film-Musik-Projekt geplanten Orchesterwerk „Deserts“ von Edgar Varèse. Viola kehrt das klassische Verhältnis von Musik und Film um: In der ihm eigenen verwackelten Ästhetik hat er ein Gegenstück komponiert, Variationen über Feuer und Wasser und die Innenwelt der Einsamkeit. Lange Einstellungen in warmen Farben. Leise. Und langsam. So langsam, daß ein fallendes Wasserglas trotz Zeitlupe wie ein Aufschrei wirkt. Während sich die Musik zuspitzt, fällt ein Mensch hinterher. Doch plötzlich ist wieder überall Wasser. Eine brennende Lampe taucht unter und illuminiert den Meeresboden. Natur und Zivilisation sind auf einmal ästhetisch vereint, und dann wird es still. Christine Hohmeyer

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