Staatlich nicht geschützt

■ Bei der Ausbildung zum Kunsttherapeuten werden in privaten und staatlichen Schulen andere Schwerpunkte gesetzt. Die Berufsaussichten sind gut

Mit fest zusammengepreßten Lippen bläst Peter Fausch in das Alphorn und entlockt dem mehrere Meter langen Instrument tiefe weittragende Töne. „Auch Anfänger können meistens bereits nach einer Viertelstunde das Instrument zum Erklingen bringen“, versichert der Leiter der Musiktherapeutischen Arbeitsstätte. Angeleitet werden an der Steglitzer Schule jedoch keine Musikschüler, sondern kranke oder behinderte Menschen, denen mit der anthroposophisch orientierten Musiktherapie geholfen werden soll. Neben dem Alphorn gibt es noch weitere, eher unbekannte Instrumente, die in der Therapie verwendet werden. Um sie erfolgreich einzusetzen, muß auch der Therapeut die Spieltechnik sicher beherrschen. Deshalb müssen die fünfzehn Studenten, die momentan die Ausbildung zum Musiktherapeuten in der Arbeitsstätte absolvieren, täglich auf der Leier oder Chrotta üben.

Ihr musikalisches Verständnis stellten die zukünftigen Musiktherapeuten bereits in einer Aufnahmeprüfung unter Beweis. In der vierjährigen Ausbildung stehen neben den künstlerischen Fächern auch Anatomie, Psychologie, Pädagogik oder die Pathologie auf dem Stundenplan. Auch früher Patientenkontakt ist den Ausbildern wichtig. „Im ersten Jahr arbeiten die Studenten, unterstützt von zwei Therapeuten, mit einer Gruppe von Behinderten, kreieren eigene Bewegungsstile und studieren diese mit den Patienten ein“, erläutert der Musiktherapeut. „Im zweiten Jahr hospitieren sie dann bereits in Einzeltherapien und erstellen Protokolle über den Verlauf.“ Selbständige Therapien dürften die Studenten erst im vierten Ausbildungsjahr, dem Anerkennungsjahr, unter Aufsicht eines Mentors in einer anthroposophischen Einrichtung durchführen.

Am Ende der Ausbildung steht als künstlerische Abschlußarbeit ein öffentliches Konzert. Außerdem müssen die Prüfungskandidaten eine schriftliche Arbeit über ein musiktherapeutisches Thema erstellen und in einem Vortrag Therapiebeispiele erläutern. Danach bekommt der Absolvent zwar das Abschlußzertifikat ausgehändigt, um in den Berufsverband der anthroposophischen Kunsttherapie aufgenommen zu werden, er muß jedoch noch zwei weitere Berufserfahrungsjahre nachweisen. „Diese Qualifikationsnormen hat der Berufsverband selbst aufgestellt, denn die Bezeichnung Musiktherapeut ist nicht staatlich geschützt“, beklagt Peter Fausch. Auch Winfried Band von der Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie (DGMT) weiß um die recht unterschiedlichen Ausbildungslevels der verschiedenen Schulen. „Staatliche und private Ausbildungsstätten arbeiten momentan daran, einheitliche Maßstäbe zu schaffen“, bekräftigt er. Als Diplommusiktherapeut kann sich bisher nur bezeichnen, wer den Studiengang Musiktherapie an einer Hoch- oder Fachhochschule absolviert hat. Dort wird eher der psychoanalytische Therapieansatz vermittelt. Um einen Überblick zu verschaffen, hat die DGMT einen Studienführer mit allen in Deutschland angebotenen Ausbildungen zusammengestellt.

Neben der Musik spielen auch die bildenden Künste eine große Rolle im anthroposophischen Heilungsansatz. In der Artaban- Schule für künstlerische Therapie in Wilmersdorf werden momentan 24 Studenten ausgebildet. Da der Unterricht nachmittags stattfindet, kann das Studium berufsbegleitend durchgeführt werden. „Neben dem Malen, Zeichnen und Plastizieren spielt die Ausbildung im heilpädagogischen und medizinischen Bereich eine ebenso große Rolle“, betont Kunsttherapeutin Gutknecht.

Im ersten Lehrjahr steht die anthroposophische Farbenlehre im Mittelpunkt der Ausbildung. Die Studenten üben sich in der Darstellung der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Es folgt das Studium der Pflanzen und Tiere, sowie im letzten Studienjahr die künstlerische Darstellung des Menschen. Praktische Erfahrungen sammeln die Schüler beim Hospitieren beispielsweise im Gemeinschaftskrankenhaus in Havelhöhe, durch die Leitung eines Malkurses in der Schule oder durch Projektarbeit in den Bezirken. Zum Abschluß des Studiums muß ebenfalls eine künstlerische Arbeit angefertigt werden.

Die Studenten illustrieren in einer Bildfolge ein Märchen ihrer Wahl. Es folgt eine mündliche und schriftliche Prüfung in Kunstgeschichte, sowie die Bearbeitung eines Themas aus dem medizinischen oder heilpädagogischen Problemfeld. Um ebenfalls die Kriterien des kunsttherapeutischen Berufsverbandes zu erfüllen, schließen sich dem Studium zwei Berufsanerkennungsjahre in sozialen Einrichtungen an. Das Einsatzgebiet von Kunsttherapeuten sei breit gefächert, erzählt Katarina Gutknecht. „Ich habe sieben Jahre in der Gefangenenbetreuung gearbeitet, war mit Spätbehinderten betraut, habe mich um Süchtige gekümmert und Senioren betreut“, erzählt sie.

Da beide kunsttherapeutischen Ausbildungen an Privatschulen stattfinden, kommen auf die Studenten monatliche Studiengebühren von 300 Mark (Artaban) und 350 Mark (Musiktherapeutische Arbeitsstätte) zu. Durch die fehlende staatliche Anerkennung sind sie zudem von Förderungsmöglichkeiten wie Bafög ausgeschlossen. Für erfolgreiche Absolventen hat Katarina Gutknecht jedoch den Trost: „Ein arbeitsloser Kunsttherapeut ist mir nicht bekannt.“ Hella Kloss