Rehhegel denkt

■ Die Bundesliga als Künstlerkolonie

Das Runde muß ins Eckige. So einfach ist Fußball. Nur die Spieler machen nicht mit. Sie lieben nach wie vor das Unentschiedene, trotz der Drei-Punkte-Regel. Nur ein Spiel hatte diesmal einen klaren Sieger, der Rest geht in Tränengas unter oder remis aus oder wird erst in den Schlußminuten entschieden – durch Glücksschuß (Dortmund), Gegnergeschenk (Düsseldorf), Betrug (Bayern). Dabei bringt 1 x toren im richtigen Moment zwei Punkte auf einmal. Aber das ist den Kickern nicht beizubringen. Sagt Düsseldorfs Frank Mill: Nach der alten Regel hätte seine Fortuna 7:7 Punkte, nun seien es 8, also ist „die neue Regel schlecht für uns“. „Grau is' alle Theorie, maßgebend is' auf'm Platz“ – die Worte des Trainerphilosophen Addi Preißler verhallen. Denn es gibt längst Maßgebenderes: das Drumherum, das Bunte, das Lustige. Derzeitiger Hit: die „Rubens-Affäre“, welche die „Frage aller Fragen“ sei, schließlich stehe das „Rehhagelsche Identitätsproblem“ auf dem Spiel. Otto Rehhagel hat ein Schild „Rubens“ an seine Wohnungsklingel geklebt, zwecks Tarnung. Hätte ja auch Otto Dix sein können. Aber nein: Rubens. Welche Gelegenheit! Sofort kommt das Runde ins Eckige: Endlich können in Sat.1 auch Sportsendungen mit Bildnissen vom vollbusigen Weibe garniert werden, aus Chronistenpflicht, logo. Alle Redakteure, Reporter, Kabelträger werden eingeschworen nachzudenken: Assoziieret! Seid kreativ! Wo doch der Moderator Max Beckmann heißt. Rubens ist die Chance: Fußball wird zur Kultur, zur Hochkultur, zum Kunstgenuß. Und prachtvoll wird formuliert: „Rubens Rehhagel“ ist „vom Anstreicher zum Malermeister“ aufgestiegen, „Streichquartette von Mahler“ gehören jetzt zum Trainingsprogramm des Mannes, der mal „im malerischen Offenbach“ tätig war. Seine Pfiffe sind Ausdruck „musikalisch- künstlerischer Führung“.

Da will der Rest der Liga nicht außen vor bleiben. Alle demonstrieren Bildung. In Dortmund kickt jetzt „Rubens Sosa“. St.-Pauli-Coach Maslo will sich zu einem anderen Holländer erklären, sagt: Ich bin Dürer. Van Gogh? Nein, der stürmte früher in Köln. Seine Unerträglichkeit Harald Schmidt hat einen ganzen Nachmittag Namen studiert – Ergenis: Munch spiele in Leverkusen und früher der Breugel in K'lautern. Und Klaus Augenthaler, ja der „Auge“, sagt lächelnd: „Ich bin Mona Lisa!“ Juri Sawitschew wird zum „Nurejew des Strafraums“ erklärt. Guter Mann, guter Maler. Rehhagel liest Goethe und malt Schiller. Ein Denker! Kluger Rehhegel.

Was das alles mit Fußball zu tun hat? Nichts – aber warum sollte es? Vielleicht liegt's am Hirn: Wenn das Runde nicht ins Eckige geht, schwappt eben das Weiche aus dem Harten. -müll-