Pfüat di, Elizabeth!

2001 will Australien Republik sein. Kann man da für Olympia 2000 noch mit der Queen rechnen?  ■ Aus Sydney Mike Ticher

In ziemlich genau fünf Jahren, Mitte September des Jahres 2000, werden die Olympischen Spiele von Sydney eröffnet. Prima. Die Frage aber ist: Von wem? Diese scheinbare Nebensächlichkeit hat in Australien eine heftige politische Debatte aufgeworfen, die noch längst nicht ausdiskutiert ist. Olympische Spiele werden bekanntlich traditionell vom Staatsoberhaupt des Gastlands eröffnet. Und da Australien nominell immer noch eine Monarchie ist, heißt dieses Oberhaupt Königin Elizabeth. Nun gibt es aber ein zweites wichtiges Datum, kurz nach den Spielen gelegen, das die Anwesenheit der Königin bei der olympischen Eröffnungsfeier zu einem dominierenden Thema der australischen Politik macht. Am 1. Januar 2001 feiert das Land sein 100jähriges Bestehen.

1901 ist es gewesen, als sich die verschiedenen britischen Kolonien zum Land Australien vereinigt haben. Die jetzige von Paul Keating geführte Labor-Regierung hat vor, hundert Jahre nach diesem Tag Australien zur Republik zu erklären. Und damit alle konstitutionellen Verbindungen zu Großbritannien abzubrechen. Außerdem möchte der Premierminister das Aussehen der australischen Flagge ändern, die immer noch den britischen Union Jack in einer Ecke enthält – doch bis jetzt hat keiner der neuen Entwürfe die öffentliche Zustimmung erhalten.

Die Entscheidung, die Spiele an Sydney zu vergeben, hat sowohl der Bewegung für die Republik als auch den Flaggenerneuerern Auftrieb gegeben. Unmittelbar nachdem Juan Antonio Samaranch das Wort „Sydney“ in Monaco aussprach, erklärte Keating: „Das ist eine Entscheidung für Australien als Nation. Das erlaubt uns, der Welt zu zeigen, daß wir nicht bloß ein abgelegenes Anhängsel sind, sondern ein Land auf dem Weg ins nächste Jahrtausend.“

Während seiner Kampagne für die Republik, die noch vor 1998 durch eine Volksabstimmung entschieden werden soll, ist die Vorstellung, daß Königin Elizabeth die Spiele eröffnet, geschickt von Keating dazu benutzt worden, die Absurdität der australisch-britischen Beziehungen zu verdeutlichen. Warum, argumentiert er, sollte sich das Land, ausgerechnet wenn die ganze Welt zusieht, darstellen, als könnte es immer noch nicht auf eigenen Füßen stehen?

Ein wichtiger Faktor sowohl für Sydneys Olympia-Bewerbung als auch für die Republikkampagne Keatings war und ist die offizielle multikulturelle Politik Australiens. Mehr als 20 Prozent der Australier sind außerhalb des Landes geboren. Und noch einmal 20 Prozent sind Kinder von Einwanderern, die aus allen möglichen Ländern auf den fünften Kontinent gekommen sind. Nur aus Großbritannien kommt keiner: Die überwiegende Mehrheit von ihnen hat keinerlei Verbindungen zur Queen.

Die Olympischen Spiele, sagt Keating, bieten die Gelegenheit, der Welt das moderne Australien zu präsentieren: ein trotz und wegen seiner Vielfalt vereintes Land mit einer eigenen Identität, ein Land, das nicht rückwärts orientiert ist, gefangen in alten kolonialen Traditionen, sondern nach vorne sieht und neue Partner – vor allem in Asien – sucht.

Die intensive Aufmerksamkeit, die Australien erfährt, je näher die Spiele rücken, wird aber auch ein Thema in den Blickpunkt rücken, das mehr als jedes andere das fortschrittliche Bild Australiens zu zerstören droht: die Versöhnung mit den Aborigines. Dieses Problem war stets eines der dringlichsten der Keating-Regierung. Zum Beginn der Bewerbung bemühte sich das Organisationskomitee um die Unterstützung der führenden Aborigines-Gruppen. Man wollte die Menschenrechtslage in Australien der des Hauptgegenbewerbers Peking gegenüberstellen.

Die Aborigines, die bis 1967 nicht einmal über alle Rechte australischer Staatsbürger verfügten, haben auch heute noch eine durchschnittlich 20 Jahre geringere Lebenserwartung als die restliche australische Bevölkerung. Nach Jahrzehnten der Diskriminierung sind die Gesundheitsversorgung, die Bildungschancen und Wohnbedingungen der Aborgines eher vergleichbar mit ärmeren afrikanischen Ländern als mit dem europäischen Durchschnitt.

Bei den Olympischen Spielen will Australien der Welt zeigen, daß die Wunden, die Rassismus und Diskriminierung der Gesellschaft beigebracht haben, langsam heilen, zumal der Sport schon bisher nahezu der einzige Bereich des öffentlichen Lebens ist, in dem Aborigines verhältnismäßig stark repräsentiert sind.

Zwei Aborigines gehören zur Zeit zu den besten des australischen LeichtathletInnen: Die 400-Meter-Läuferin Cathy Freeman (die bei der WM in Göteborg im August Vierte wurde) und Hürdenläufer Kyle Vander Kuyp. Freeman sorgte schon 1994 für Kontroversen, als sie nach ihrem Sieg bei den Commonwealth-Spielen im kanadischen Victoria sowohl die australische Fahne als auch die der Aborigines durch die Ehrenrunde trug.

Kaum ein Ereignis könnte die Geburt einer australischen Republik trefflicher symbolisieren, als wenn Cathy Freeman eine Goldmedaille in Sydney gewinnen würde. Dann könnte sie erneut eine Ehrenrunde drehen – diesmal mit einer australischen Flagge ohne Union Jack.