Wenig Dreck und kaum Zukunft

Angela Merkel (CDU) bilanziert die Umweltentwicklung in Ostdeutschland. Die Luft ist sauberer, das Wasser auch. Schuld ist nicht die Politik  ■ Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – „In Ostdeutschland wurde ein einmaliger ökologischer und wirtschaftlicher Strukturwandel in Gang gesetzt.“ Das war der Kernsatz, als Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) gestern eine Umweltbilanz fünf Jahre nach der Vereinigung zog. Bei ihrer Pressekonferenz in Berlin versuchte Merkel diesen Strukturwandel mit immer neuen Zahlen zu untermauern. Die Luftbelastung sei zurückgegangen, die Industriebetriebe würden ihre Dreckbrühe nicht mehr in die Flüsse und Seen leiten und die Zahl und Größe der Altlasten haben sich als beherrschbarer entpuppt als angenommen.

Natürlich, räumt die Ministerin ein, seien viele der Erfolge der Schließung der ostdeutschen Industrie geschuldet, habe die Nitratbelastung im Trinkwasser vor allem abgenommen, weil etliche der großen LPG-Schweinefabriken schlicht pleite gegangen seien.

Aber auch die Regierungspolitik habe ihren Anteil an der positiven Schadstoffbilanz, beharrt Merkel. So seien im Osten in den vergangen fünf Jahren 500 Kläranlagen neu gebaut und modernisiert worden. In der Altlastensanierung habe die Regierung Milliarden ausgegeben. Dort würden heute über 50.000 Menschen beschäftigt. Selbst wenn es mit etwas weniger Bürokratie „den Antragsstau“ bei der Sanierung nicht geben müßte. „Die Mittel für die Altbausanbierung fließen nicht so schnell, wie ich mir das wünschen würde.“

Deutlich weniger optimistisch war die Ministerin, wenn es um die ökologische Zukunft des Ostens ging. Strukturwandel wäre zwar eigentlich mehr als neue Filter und das Schließen altersschwacher Fabriken. Doch beim ökologischen Umbau von Produktion und Dienstleistungen „haben wir in den neuen Bundesländern noch nicht die Experimentierkraft“, bedauerte Merkel. Die fehle vor allem in den Kommunen. Aber auch der größte Stromerzeuger der Region, die VEAG, sei noch mehr damit beschäftigt, ihre alten Kraftwerke instand zu setzen und gegen alle ökologischen Widrigkeiten den Absatz für den Braunkohlestrom zu sichern.

Dabei müßten die Voraussetzungen für einen weitergehenden ökologischen Strukturwandel im Osten eigentlich günstig sein. „Genehmigungen sind bei uns (sic!) häufig zwei- bis dreimal schneller zu erhalten als in den alten Bundesländern“, wußte Merkel zu berichten. Von den Subventionen gar nicht zu reden. Das Ministerium hat in den vergangenen Jahren 500 Millionen Mark nur für die Förderung ökologischerer Produktionsverfahren im Osten ausgegeben.

Aber trotz Entbürokratisierung und erweiterten Möglichkeiten für Private, das Kapital will einfach nicht im Osten ökologisch investieren. Es mangelt einfach an Ideen. Oder mit den Worten von Merkel: „Bei uns wird zu wenig Forschung und Entwicklung betrieben.“

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