Zielscheibe oder Friedensengel?

■ Die Bonner Regierungskoalition streitet über eine mögliche Entsendung von Bodentruppen nach Bosnien-Herzegowina

Der Verteidigungsminister und Militärexperten raten zur Zurückhaltung, Zivilisten wollen Bundeswehrsoldaten in gefährliche Missionen jenseits deutscher Grenzen schicken. Seit Mitte vergangener Woche gärt in Bonn wieder eine Debatte: Minister Klaus Kinkel (FDP) und andere Außenpolitiker der Regierungsparteien wollen nach einem Friedensschluß deutsche Bodentruppen nach Bosnien schicken, um die Linien zwischen den Konfliktparteien zu sichern. Verteidigungsminister Rühe aber stellt sich quer. Deutsche Soldaten, so Rühe, könnten Teil des Problems werden, statt zu seiner Lösung beizutragen. Er warnt, daß vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte Bundeswehrsoldaten zur Zielscheibe terroristischer Anschläge werden könnten.

Ähnlich geteilte Reaktionen in der Regierung hatte vor Monaten schon der Wunsch von UN-Generalsekretär Butros Ghali ausgelöst, von Bonn Truppenkontingente für eine ständig abrufbereite UN- Truppe genannt zu bekommen. Rühe fuhr damals schon seinem Kabinettskollegen Kinkel grob in die Parade, der Butros Ghali entgegenkommen wollte.

Kanzler Kohl, der öffentlich keine Stellung bezieht, soll in einer Fraktionssitzung von Überlegungen der Regierung in Paris gesprochen haben, das deutsch-französische Corps nach Ex-Jugoslawien zu schicken. Die Idee scheint auch im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt Freunde zu finden. Gelegenheit zur Diskussion seiner Idee mit einem hochrangigen Vertreter der Regierung Rest-Jugoslawiens hatte Kinkel gestern: In New York traf er seinen Belgrader Kollegen Milan Milutinović.

In Bonn erklärte Regierungssprecher Peter Hausmann derweil gestern wieder, die neue Diskussion über die Entsendung deutscher Truppen nach Bosnien sei völlig unnötig, weil theoretisch. Die Frage nach einem deutschen Beitrag stelle sich nicht, weil die Grundvoraussetzung fehle: ein Friedensschluß für Bosnien-Herzegowina.

In New York, kurz vor dem Gespräch mit Milutinović, machte sich Außenminister Kinkel vor Journalisten aber schon wieder munter Gedanken über einen deutschen Beitrag zur Peace Implementation Force (PIF): Deutsche Kampftruppen kämen nicht in Frage. Eine Mitwirkung von Sanitäts-, Logistik-, Transport- oder Pioniereinheiten der Bundeswehr sei aber nicht auszuschließen. Kinkel kündigte auch gleich ein Gespräch mit dem Kanzler nach seiner Rückkehr an. Thema: die Beteiligung von Bundeswehreinheiten an der Friedenstruppe für Bosnien. Hans Monath, Bonn