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Klassik-Gassenhauer flauschig dirigiert

■ Bobby McFerrin ist Jazz und Pop nicht mehr genug: Jetzt als Dirigent in Hamburg

Um es gleich vorweg zu sagen: Selten war uns so unklar, wer die Gäste eines Konzertes sein werden, wie bei Bobby McFerrins Ausflug ins Klassikland.

Die seriösen Freunde der E-Musik haben wohl wenig Verständnis für einen Dirigenten, der die instrumentalen Solostimmen kunstvoll selber singt. Die Bewunderer von McFerrins Jazz-Kunst werden hier mit sauber gespielten Klassiker-Evergreens in Häppchenformat konfrontiert (ein bißchen aus Strawinskys Pulcinella, die Ouvertüre zur Hochzeit des Figaro und sogar die ganze Kleine Nachtmusik, das Scherzo von Mendelssohns Mitsommernachtstraum, dazu etwas Bach, Vivaldi, Tschaikowsky und Fauré), denen alles Unreine, Wilde und Improvisierte völlig abgeht. Schließlich bleiben dann noch die gewöhnlichen Radio-Hörer, die vielleicht hoffen, von dem Sänger eines Mega-Hits wie „Don't Worry, Be Happy“ einen leichteren Zugang zu der großen Musik vermittelt zu bekommen, die sie immer nicht verstehen.

Fakt jedenfalls ist, daß McFerrin auf seiner aktuellen CD Paper Music mit seinem amerikanischen Saint Paul Chamber Orchestra massenkompatible Versionen von den abgenudeltsten Partikeln klassischer europäischer Musik aufgenommen hat, die Klassik-Radio sicherlich gerne in ihre Musik-Uhr mit aufnehmen werden.

Fakt ist auch, daß dies derselbe Kommerz-Verschnitt mit pseudo-pädagogischem Anspruch ist, wie ihn auch die Star-Tenöre, Montserrat Caballé und andere Opernstars betreiben. Unter dem Vorwand, dem Volk die hohe Musik nahezubringen, werden die Gassenhauer der Klassik in Chartlänge und flauschig dirigiert zusammengeworfen, damit dem Plattenmarkt auch der Manta-Fahrer erschlossen wird. Daß dabei jede Ergründung von Differenz und jede Kontemplation komplett für Rattenfängerei auf der Strecke bleibt, ist der wahre Effekt solcher Vorhaben. tlb

Heute, 20 Uhr, Musikhalle, McFerrin dirigiert die Hamburger Symphoniker

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