„Es ist ein gerüttelt Maß an Verlogenheit“

■ Gerald Häfner, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, zum Verhalten des Bundesrates gegenüber der von Union und SPD angestrebten Diätenreform

taz: Werden alle Landesregierungen, an denen die Bündnisgrünen beteiligt sind, im Bundesrat die Diätenreform ablehnen oder sich der Stimme enthalten?

Gerald Häfner: Die Abstimmungen in den Landesregierungen laufen noch. Wenn es nach uns geht, wird es keine Zustimmung geben, denn auch die Grünen in den Ländern lehnen die Grundgesetzänderung ab. Die Koalitionsvereinbarungen sehen bei Dissens eine Enthaltung im Bundesrat vor. Wenn alle bei ihren Ankündigungen bleiben, muß die Diätenreform scheitern. Ich weiß aber, daß Unions- und SPD-Fraktion im Bundestag massiv ihre Leute in den Landesregierungen bearbeiten, damit diese der Reform im Bundesrat doch noch zustimmen. Deshalb wissen wir noch nicht genau, wie die Sache ausgeht.

Im Falle des Scheiterns will SPD-Franktionsgeschäftsführer Peter Struck die Reform ohne Grundgesetzänderung verabschieden. Machen Sie da mit?

Nein. Aber Struck hat unrecht. Der Bundestag hat gegen unsere Stimmen sowohl das Gesetz als auch eine Verfassungsänderung beschlossen, um sich gegenüber Karlsruhe abzusichern. Kommt die Grundgesetzänderung nicht zustande, bleibt das Gesetz gültig, allerdings nur solange, bis Karlsruhe es kippt. Denn das Diätengesetz steht in krassem Widerspruch zur Rechtsprechnung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Abgeordnete regelmäßig über ihre Bezüge abstimmen müssen.

Die Kritik war scharf bis zum Vorwurf, hier werde ein „Ermächtigungsgesetz“ durchgepeitscht. Schadet pauschale Kritik dem Ansehen des Parlamentarismus?

Es ist ein gerüttelt Maß an Antiparlamentarismus in der Debatte deutlich geworden und auch ein gerüttelt Maß an Doppelmoral und Verlogenheit. Die Grünen haben sich von dem Populismus mancher Medien distanziert, in denen alle Abgeordneten als geldgierige und skrupellose Absahner dargestellt wurden. Aber auch die andere Seite hat Fehler gemacht. Die antidemokratische Diskursverweigerung und überzogene Medienschelte durch Teile des Bundestages verkennt, daß sich der Bundestag öffentlichen Debatten und auch herber Kritik stellen muß. Wir hätten ja sogar eine maßvolle Erhöhung der Diäten entsprechend dem durchschnittlichen Anstieg der Arbeitnehmereinkommen mitgemacht. Aber diese maßlose Steigerung, der nun beschlossene Erhöhungsautomatismus und das Aushebeln von Grundgesetzbestimmungen in eigener Sache verdient schon öffentliche Empörung und heftigen Widerstand. Interview: Hans Monath