„Viele fänden es richtig, sie würde zurückkehren“

■ Daud Haider, Schriftsteller aus Bangladesch, zum Vorwurf, seine Kollegin Taslima Nasrin habe bei anderen abgeschrieben und sei im übrigen nie ernsthaft verfolgt worden

taz: Von verschiedenen Seiten wird behauptet, Taslima Nasrins Roman „Lajja“ sei zum Teil wortwörtlich abgeschrieben ...

Daud Haider: Nein, nicht der Roman, der besteht ja aus Zusammenfügungen von Zeitschriftenartikeln. Aber ihre feministischen Essays. Die sind in der Tat über weite Strecken aus einem damals sehr erfolgreichen Buch der bangladeschischen Schriftstellerin Sukumari Bhattachariya abgeschrieben gewesen, ohne daß Taslima ihre Quelle angegeben hätte.

Warum hat diese Autorin sie nicht verklagt?

So läuft das bei uns nicht. Zwei meiner Bücher werden von einem Mann publiziert, dessen Namen ich noch nie gehört habe. Wenn Sie in Indien durch die Buchhandlungen gehen, werden Sie haufenweise Ausgaben von deutschen Schriftstellern finden, für die niemals Rechte erworben wurden. Es hätte keinen Sinn gehabt, deshalb vor Gericht zu gehen. Natürlich hat Frau Bhattachariya sie öffentlich bezichtigt. Aber Taslima hat behauptet, deren Bücher nie zur Kenntnis genommen zu haben.

Aber was für eine seltsame publizistische Strategie steckt dahinter, durch bereits veröffentlichte Thesen bekanntwerden zu wollen?

Als sie als Dichterin angefangen hatte, mußte sie feststellen, daß niemand ihre Gedichte zur Kenntnis nahm. Da wurde ihr klar: Berühmt werde ich nur, wenn ich mir Ärger einhandle, am besten mit Frauenthemen. So fing sie dann an, über eine Sache im islamischen Recht zu reden, die sie, glaube ich, auch wirklich erbost, daß nämlich ein Mann vier Frauen heiraten kann, eine Frau aber nur einen Mann. Wohlgemerkt, nach islamischem Recht; die Verfassung von Bangladesch deckt so etwas nicht. Aber noch immer nahm niemand von ihr Notiz. Dann begann sie, in der Zeitung ihres damaligen Ehemannes eine wöchentliche Kolumne zu diesen Themen zu schreiben. Aber auch die interessierte niemanden, bis sie damit anfing, „pornographische“ Phantasien hineinzuschreiben. Beispielsweise berichtete sie, ihr erster Mann habe Syphillis gehabt, weil er ständig ins Bordell gegangen sei, und warum sollte sie als Frau nicht auch ins Bordell gehen. Das malte sie dann ein wenig aus. Aber auch das machte sie nicht berühmter. Intellektuelle, auch die Frauen, hielten ihre Texte noch immer für blanken Unfug. Erst als sie, ein Jahr nach der Zerstörung der Babri Moschee in Indien [die Racheakte gegen Hindus in Bangladesch nach sich zog – d.Red.] von einer fundamentalistischen Hindu-Zeitschrift den Amand-Preis verliehen bekam, wurde man auf sie aufmerksam.

Auch die Regierung in Dhaka.

Ja, die wollte ihren Roman aus Gründen der nationalen Sicherheit verbieten. Darin waren nämlich Übergriffe gegen die Hindu-Bevölkerung geschildert – Muslime nehmen Hindus Land weg, Muslime vergewaltigen Hindu-Frauen –, so als seien diese Übergriffe an der Tagesordnung. Kann schon sein, daß so etwas in ländlichen Gegenden einmal vorkommt, aber es ist auf keinen Fall die Regel. Die Hindu-Presse der BJP [fundamentalistische Organisation – d.Red.] in Indien griff aber einige ihrer Sätze auf und formulierte sie so, daß man denken konnte, diese Dinge geschehen nicht nur mit Duldung, sondern mit Billigung oder sogar Beteiligung der Regierung Bangladeschs – worüber diese sich geärgert hat. Viele von uns haben damals der Regierung vorgeworfen, die Hindus zu wenig geschützt zu haben. Aber Taslima hat an einer Stelle übertrieben, an der man genau sein sollte. Und sie hat nirgends erwähnt, daß damals 4.000 Muslime in Indien ermordet worden waren.

Ihr wird auch vorgeworfen, niemals wirklich verfolgt worden zu sein. War Sie damals in Gefahr?

Ach was. Sie ging überall hin: zu Meetings, kulturellen Veranstaltungen. Sie hätte auch jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich einer Frauenorganisation anzuschließen, die über diese Themen schreiben. Aber das wollte sie nicht. Ihre Lage änderte sich, als sie dem indischen Statesman ein Interview gab, in dem sie forderte, der Koran müsse geändert werden. Das hat in der Tat die Muslime aufgebracht, und es gab große, haßerfüllte Demonstrationen. Da mußte die Regierung Bangladeschs sie schützen.

Wie steht die Exilgemeinde inzwischen zu ihr? Leute wie Sie selbst haben ja damals die taz- Kampagne für sie unterstützt.

Ich habe sie immer verteidigt, weil sie gegen die Fundamentalisten war. Deswegen bin ich oft kritisiert worden, weil sie für viele eine Art Speerspitze des Westens gegen den Islam darstellt. Jetzt fänden es viele richtig, sie würde nach Bangladesch zurückkehren, um dort weiterzukämpfen. Interview: Mariam Niroumand