■ Demonstration der Fußballfans in Genf
: Die letzten Amateure

Einige von ihnen hatten sogar das Äußerste in Kauf genommen. Doch selbst die schreckliche Aussicht, ein Spiel ihres Teams zu verpassen, konnte sie nicht von der Reise zur Auslosung der zweiten Runde im Europapokal nach Genf abbringen. Doch es ging ihnen nicht um Losglück oder Lospech. Die Hundertschaft Fußballfans aus Bundesrepublik, der Schweiz und Griechenland benutzte das Defilee der UEFA-Funktionäre und Vereinsvertreter am noblen Noga-Hilton, um gegen die Politik der UEFA zu protestieren. Die Botschaft der Basis: Wir holen uns das Spiel zurück!

Mit beeindruckender Arroganz betreiben europäischer und Weltfußballverband unter dem Deckmäntelchen der Sicherheitsbehauptung die gnadenlose Kommerzialisierung des Spiels gegen die Interessen des Publikums. Klubs und Landesverbände müssen ständig neue, immer bizarrere Anforderungen erfüllen, um noch internationale Spiele ausrichten zu dürfen. Borussia Dortmund wird demnächst 1,5 Millionen Mark in neue Sitze investieren müssen, weil die bisherigen nicht über die vorgeschriebenen Rückenlehnen verfügen. Im Hinblick auf die noch gar nicht nach Deutschland vergebene Weltmeisterschaft 2006 stehen die Kommunen als Stadioneigner schon heute unter Druck, weitgehende Umbauten vorzunehmen, um eventuell WM-Spielort zu werden. Wichtigste Maßnahme ist dabei die Umwandlung von Steh- in Sitzplätze. Dabei haben die Krawalle beim Länderspiel Englands in Dublin gezeigt und beweisen an fast jedem Wochenende die Ausschreitungen bei Ligaspielen in Italien und Griechenland, daß Fußballgewalt auf Sitzplätzen keineswegs endet. Aber reine Sitzplatzstadien machen „The People's Games“ teurer, und das ist es, was die Funktionäre wollen. Sortiert wird über den Eintrittspreis. Den Zutritt zur Glitzerwelt der Champions League, Europa- und Weltmeisterschaften soll nicht mehr jeder haben, schon gar nicht potentielle Problemkinder.

Gegen diese Politik der internationalen Verbände hat sich der Deutsche Fußballbund nur halbherzig gewehrt, da er unbedingt die WM 2006 ausrichten will. Und die Kommunen zahlen blindlings weiter, was zu zahlen ist. So bleiben nur die letzen Amateure im Millionenspiel, die Fans, um sich gegen den Kahlschlag in der Fußballkultur und ganz nebenbei auch gegen die Verschleuderung von Steuergeldern zu wehren. Christoph Biermann

Freier Journalist und Autor, lebt in Köln