Schröpfen auf Krankenschein

■ Seit einem Jahr zahlen zehn Betriebskrankenkassen jede naturheilkundlich Behandlung, die gewünscht wird – eine erste Erfolgsbilanz

Chronisch Erkrankte laufen oft von einem Arzt zum nächsten. Von der Schulmedizin fühlen sie sich alleingelassen mit ihrem Rheuma, ihrer Neurodermitis, den Allergien, der Migräne ... Meist vergeblich bitten sie ihre Krankenkassen um die Bezahlung naturkundlicher Heilmethoden. Neun Betriebskrankenkassen in Nordrhein-Westfalen und eine in Oldenburg, zu der bald auch die Bremer Betriebskrankenkasse der Überlandwerke Nord (ÜNH) gehören wird, hatten schließlich ein Einsehen: Chronisch Kranke sollen jede gewünschte Therapie bezahlt bekommen. Fünf Jahre lang. Vor genau einem Jahr startete dieses Modellprojekt. Am vergangenen Wochenende wurde auf einer Tagung in Bremen eine erste Bilanz gezogen.

„Bereits jetzt ist ein positiver Trend zu erkennen“, sagte Ralf Sjuts, Geschäftsführer von der Oldenburger Betriebskrankenkasse Weser Ems AG, „im Verordnungsverhalten der Ärzte ist es zu einem ersten Kostenrückgang gekommen“. Ebenfalls gesunken seien die Kosten aufgrund von Krankenhausaufenthalten und Arbeitsausfällen bei PatientInnen, die naturheilkundlich behandelt wurden. Soweit zur finanziellen Seite. Und was hat es den PatientInnen selbst genützt? Was sie vielleicht als „Glück“ bezeichnen würden, beschreibt der Frauenarzt Fred-Holger Ludwig aus Bergzabern so: Es sei bei seinen Patientinnen „zu einer Lebenszustands- und Lebenszeitverbesserung“ gekommen.

Warum gerade die kleinen Betriebskrankenkassen diesen Versuch gewagt haben, liege auf der Hand, meint Ralf Sjuts: Die gesetzlichen Kassen seien mit ihrem ausedehnten Verwaltungsapparat viel zu unflexibel. Den Großen sei außerdem das Risiko eines finanziellen Debakels im Falle eines Mißerfolges zu groß gewesen. Die Betriebskrankenkassen jedoch sind optimistisch. Bei den Versicherten jedenfalls stößt das Angebot der Betriebskrankenkassen auf Resonanz: Statt wie erwartet ein Prozent beteiligen sich bereits nach einem Jahr zwei Prozent der Versicherten an dem Modellprojekt.

Die Erprobungsregelung wird vom Zentrum zur Dokumentation von Naturheilverfahren (ZDN) in Essen wissenschaftlich begleitet. Die ÄrztInnen, die neben einer schulmedizinischen Ausbildung auch eine in Naturheilverfahren mitbringen müssen, sollen die Behandlungsart möglichst fei wählen können – allerdings sind nur Verfahren zugelassen, die auf der sogenannten Hufeland-Liste stehen. Diese ist Grundlage der Ausbildung zum Naturheilkundler. Auf dieser Liste stehen neben der Akupunktur und der Sauerstofftherapie durchaus auch Verfahren wie das Schröpfen und die Eigenharntherapie.

Sollten diese Verfahren den PatientInnen nützen und den Kassen Geld sparen, dann wäre damit die Grundlage geschaffen, daß naturheilkundliche Verfahren in die Liste der zu erstattenden Behandlungsmethoden des Sozialgesetzbuches auf Dauer aufgenommen werden. Derzeit nämlich dürfen ÄrztInnen Naturheilverfahren nur anwenden, wenn die Schulmedizin versagt hat. Diesen Nachweis zu erbringen, ist jedoch außerordentlich schwierig.

Seit der Novellierung des Sozialgesetzbuches im Januar 1991 und nach dem Urteilsspruch des Bundessozialgerichtes vom 21.11.1991 ist den Krankenkassen eine Kostenerstattung nur erlaubt, wenn „der Therapieerfolg medizinisch-wissenschaftlich möglich erscheint“ (GSB, Urteil v. 21.11.1991). Genau diesen „Therapieerfolg“ will das Projekt nachweisen. mba