Tony Blair sonnt sich in seinem künftigen Erfolg

■ Auf dem Labour-Parteitag im südenglischen Brighton erleidet die Linke eine Niederlage nach der anderen. Auch die Gewerkschaften geben klein bei

Brighton (taz) – Es war eine Art Exorzismus: Noch einmal hatte der britische Bergarbeiterboß Arthur Scargill auf dem Labour-Parteitag im südenglischen Brighton versucht, die Delegierten von den Vorzügen der alten „Clause 4“ – sie schrieb das öffentliche Eigentum an den Produktionsmitteln fest – zu überzeugen, doch die Mühe war vergeblich: die Parteimitglieder machten kurzen Prozeß mit seinem Antrag, und Scargill denkt über seinen Parteiaustritt nach.

Es blieb nicht die einzige Niederlage für den linken Parteiflügel, der ohnehin nur noch als Fragment existiert. Die Delegierten bestätigten die Absetzung von Liz Davies als Unterhauskandidatin für den Wahlkreis Leeds. Der Parteivorstand hatte die 31jährige Anwältin gegen den Willen des Ortsverbandes geschaßt, weil sie bei dem linksradikalen Magazin Labour Briefing mitarbeitet. Ihren Posten als Stadträtin in London-Islington darf Davies jedoch behalten.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. „Letztes Jahr war ich Bambi, dieses Jahr bin ich Stalin“, machte sich Labour-Chef Tony Blair über Scargill und Davies lustig. Der einzige Wermutstropfen: Sein Sprecher Jack Straw flog aufgrund der Quotierung zugunsten der Nordirland-Sprecherin Marjorie Mowlam aus dem Parteivorstand.

Die Sache mit den Gewerkschaften, die als möglicher Konfliktherd galt, ging schnell über die Bühne. Die Gewerkschaften willigten ein, daß ihr Blockstimmrecht auf Parteitagen von 70 auf 50 Prozent reduziert wurde, nachdem Blair gelobt hatte, daß er das Stimmrecht nicht weiter antasten werde. Als Zugabe verzichteten die Gewerkschaften auf die Festlegung eines Mindestlohns unter einer Labour-Regierung.

Daß eine solche Regierung bei den nächsten Wahlen kommen wird, davon ist nicht nur Blair überzeugt, sondern offenbar auch Teile der Industrie. In seiner Rede am Dienstag nachmittag enthüllte der Parteichef, daß er einen Deal mit British Telecom abgeschlossen habe. Offenbar gehört das Unternehmen nicht zu den „Räuberbaronen“, wie Blair die privatisierten Firmen bei anderer Gelegenheit genannt hatte. Jedenfalls darf Telecom ab 2002 auf dem bisher streng regulierten Telekommunikatiosmarkt frei mitmischen. Im Gegenzug versprach Telecom, „jede Schule, jedes College, jedes Krankenhaus und jede Bibliothek in Großbritannien“ kostenlos an das Computernetz anzuschließen. Dieses Übereinkommen ist eine gewaltige Brüskierung für die Tories, die man offenbar schon abgeschrieben hat.

Doch sicher kann sich Blair noch lange nicht sein. Viel hängt von den konservativen WechselwählerInnen und den JungwählerInnen ab. Letztere versuchte Blair, mit Schlagworten zu ködern: 29mal kamen in seiner Rede das „junge Land“ und „neue Britannien“ vor. Die Inhalte in der 60minütigen Rede lassen sich dagegen an einer Hand abzählen: weniger als 30 SchülerInnen pro Klasse, härtere Strafen für Verbrechen, Bezirksparlamente für Schottland und Wales, Wiederbelebung des von Thatcher aufgelösten Londoner Rates und eine gewählte zweite Kammer statt des House of Lords. Und dann versprach er noch, daß in den Schoß eines jeden Kindes ein Laptop-Computer gehöre. Labour will schließlich nicht nur für eine Legislaturperiode regieren, sagte Blair, sondern eine ganze Generation lang. Ralf Sotscheck