■ Mit Bombenuran auf du und du
: Weltweiter Boom?

Berlin (taz) – Waffentaugliches Uran hat in zivilen Nuklearkreisläufen nichts zu suchen. Diese Erkenntnis kam Jimmy Carter im Jahr 1978. Auf die Initiative des früheren US-Präsidenten geht ein ehrgeiziges Programm zurück, daß die zuvor bedenkenlose Versorgung eines Großteils der weltweit mehr als 300 zivilen Forschungsreaktoren mit bombentauglichem Uran eindämmen und dann schrittweise zurückdrängen sollte. Bis vor wenigen Jahren war dieses ursprünglich auch von der Bundesregierung massiv geförderte Programm ebenso unbekannt wie erfolgreich.

Die USA, seit den fünfziger Jahren alleiniger Lieferant von hochangereichterem Uran (Kürzel: HEU, Highly Enriched Uranium) für Forschungsreaktoren außerhalb des kommunistischen Blocks, fuhren ihre Exporte drastisch herunter. 1992 schließlich verabschiedeten sie ein Gesetz, das künftige HEU- Lieferungen ins Ausland faktisch verbot. Parallel entwickelten die Amerikaner gemeinsam mit den Europäern neuartige „hochdichte“ Uranbrennstoffe mit dem Ziel, laufende und geplante Forschungsmeiler mit Uran betreiben zu können, das nicht mehr für den Atombombenbau mißbraucht werden kann (Kürzel: LEU, Low Enriched Uranium).

Ende September trafen sich die wissenschaftlichen Protagonisten dieses Antiproliferationsprogramms in Paris zu ihrem 18. Jahrestreffen – und schlugen Alarm. Erstmals war im zurückliegenden Jahr kein weiterer Reaktor auf LEU-Brennstoff umgestellt worden. Schlimmer, künftige Fortschritte bei der Eindämmung des Handels mit Waffenuran stehen in Frage:

Weil die Amerikaner ihren Rücknahmeverpflichtungen für „abgebranntes“ Bombenuran aus Forschungsreaktoren seit 1988 nicht mehr nachkommen, suchen die Betreiber Lösungen in anderen Ländern. Immer mehr Nuklearforschungsinstitute weigern sich, ihre Reaktoren auf nicht-waffenfähiges Uran umzustellen, und die TU München hält an ihrem Plan fest, sogar einen neuen Reaktor, den FRMII in Garching, mit waffentauglichem Uran zu betreiben.

Die Entwicklung „hochdichter“ Brennstoffe, die schließlich die Umstellung aller Reaktoren möglich machen soll, kam zum Erliegen und wird zur Zeit nur zögernd wiederaufgenommen. Als reichten diese massiven Rückschläge eines zuvor erfolgreichen Programms gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen nicht aus, schiebt das US-Fachblatt nuclear fuel in seiner aktuellen Ausgabe eine weitere Hiobsbotschaft nach: Danach haben sich der russische Atomminister, Wiktor Michailow, und der zuständige Generaldirektor der EU-Energiekommission, Caccia Dominioni, bereits weitgehend über die Lieferung von waffentauglichem Uran für westeuropäische Forschungsreaktoren verständigt.

Damit liefe die Opposition der Clinton-Administration gegen den Bau neuer HEU-befeuerter Forschungsreaktoren im allgemeinen und den FRMII in Garching im besonderen ins Leere. Außerdem wollen die Russen ihr überschüssiges Bombenuran nach dem Bericht des US-Blatts auch in China loswerden, wo es möglicherweise direkt in nuklear angetriebenen Atom-U-Booten landet. Statt der Austrockung des internationalen Marktes für Bombenuran, droht nun ein neuer Boom. Gerd Rosenkranz