Sanssouci
: Nachschlag

■ Billiges Späßchen mit Goethe: "Lila" vom Theater Affekt

Lila, leidend Foto: David Baltzer/Sequenz

Den Titel der Originalausgabe schmückt ein Mägdlein, gefesselt und kniend, die leidende Psyche. Eben das ist Lila, die nach der irrigen Annahme, ihr Geliebter sei gestorben, dem Wahnsinn verfällt. Allein, ihre höfische Familie läßt Lila im Wachtraum den Dämon ihrer Krankheit in Ketten legen. So wird die leidende Seele geheilt. Goethe erfand dieses Feenspiel „Mit Gesang und Tanz“ in wenigen Tagen des Jahres 1777. Später arbeitete er es um, reduzierte Märchenhandlung und Mummenschanz zugunsten größerer Verinnerlichung. Ein Schaustück entwickelte sich so zu einem originellen psychologischen Spiel, das Lila als Verwandte von Tasso vorführt und darüber hinaus natürlich einen symbolischen Gehalt birgt. Die menschliche Seele als Kampfplatz der göttlichen und der widergöttlichen Mächte.

Ein zu Unrecht verschmähtes Werk? Das Theater Affekt beantwortet diese Frage mit einem klaren Jein. Einerseits glaubt man immerhin so heftig an den Text, daß man ihn im Programmheft abdruckt, andererseits scheint der Ehrgeiz des Regisseurs Stefan Bachmann darin zu gipfeln, das Werk auf Nimmerwiedersehen in Bücherregalen verschwinden zu lassen. Die Melancholikerin Lila (Ursula Ofner) schleudert sich Dreck in die Haare, verdreht die Augen, springt gleich einem aufgescheuchten Huhn über die Bühne. So gemahnt die Dame freilich nicht an die leidende Seele, sie ist einfach nicht recht bei Trost, ähnlich wie die Gesellschaft, die sich um sie bemüht. Lauter weißgeschminkte, verzärtelte Menschlein im Elfenkostüm, die mit Popeln herumschmieren oder Schokolade essen: Lila, die zarteste Versuchung.

Alles an diesen Figuren ist lächerlich, obschon sie eindeutig pathologische Züge tragen. Das mag daher rühren, daß der Regisseur weder Lilas Krankheit noch das gute Ende ernst nimmt, ja, überhaupt nicht erpicht darauf scheint, den psychologischen Dimensionen oder dem Symbolgehalt des Textes nachzuspüren. Lieber wird die Feenwelt verulkt und der psychodramatische Ansatz mittels einer einmontierten gruppendynamischen Sitzung erledigt. Witz hat das durchaus, freilich der gröberen, plumperen Art. Man macht sich halt ein billiges Späßchen mit Goethe. Aber den Alten ficht das sowieso nicht an. Und die leidende Psyche? Die kann warten. Dirk Nümann

20.–23., 26.–28., 30 Oktober, jeweils 20.30 Uhr, Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebusser Straße 16, Kreuzberg