■ Frostige Reaktion auf Clintons Kuba-Wende
: Zerfressende Wirkung

Vor zwei Wochen erst hat das US-Repräsentantenhaus die Verschärfung der Kuba-Blockade beschlossen. Nun liegt diese Initiative dem Senat vor – und noch bevor dieser darüber befand, kündigte Präsident Clinton seinerseits eine Wende der US-amerikanischen Kuba-Politik an. Reiseerleichterungen, Geldüberweisungen der Exilkubaner, Medienkontakte – kurzum: Nicht mehr die maximale Isolation soll die Castro-Herrschaft stürzen, sondern der gezielte Ausbau von Kontakten soll sie langsam untergraben. Man habe in Osteuropa gesehen, so ein Clinton-Mitarbeiter, welch „zerfressende Wirkung“ dies auf autoritäre Regimes habe.

Das Problem ist nur: Auch Castro hat das gesehen. Bereits Anfang September warnte die KP-Zeitung Granma in scharfem Ton vor dem „vergifteten Zuckerbrot“, das die USA in Form von Telefonverkehr und Stipendien, kulturellem Austausch und humanitärer Hilfe anbieten würden; all dies sei nur ein neues Manöver des Imperialismus, um die Revolution von innen zu zerstören.

Clintons antikommunistische Rhetorik, mit der er die Lockerung der Sanktionen gegen die Kritik von rechts immunisieren will, bestätigt eben diese Argumentation Castros. Entsprechend frostig war die Reaktion Havannas. Zudem verläßt den US-Präsidenten schlagartig der Mut zu einer neuen Politik, wenn es um das Wirtschaftsembargo gegen Kuba geht. Zwar hat sich Clinton gegen die geplante Verschärfung ausgesprochen, aber das Embargo als solches erklärt er nach wie vor zur tragenden Säule seiner Politik.

Unscheinbar, politisch jedoch besonders heikel ist Clintons Ankündigung, daß die Vereinigten Staaten künftig „Nicht-Regierungs-Organisationen“ in Kuba unterstützen wollen. Unter dem Druck, Entwicklungshilfedollars ins Land zu holen, hat Castros Regierung in den letzten Jahren eine Vielzahl solcher „Non-Government-Organizations“ (NGOs) zugelassen beziehungsweise bestehende Institutionen und Organisationen zu NGOs erklärt. Dabei kam es immer wieder zu Konflikten, wie weit dieses non-government im kubanischen Staatssozialismus denn gehen dürfe – die größte und prominenteste dieser NGOs etwa, die Stiftung des Musikers Pablo Milanés, mußte nach heftigem Streit mit dem Kulturminister schließen.

Bei allen Rückschlägen, aller Abhängigkeit vom Staat und aller Kontrolle von oben, sind diese regierungsunabhängigen Organisationen auch die Manifestationen einer selbstbewußter werdenden Zivilgesellschaft in Kuba. Ohne das Einparteiensystem der KP direkt in Frage zu stellen, verändern sie es von innen – und die kubanische Gesellschaft braucht diese Öffnung sehr dringend. Wen aber das Imperium küßt, den küßt es politisch zu Tode. Eine Organisation, die sich in Kuba von den USA unterstützen läßt, wird für die Regierung automatisch zum Feind, der, so die Parteizeitung Granma, „keine Gnade und keine Versöhnung finden wird, sondern die eiserne Faust des arbeitenden Volkes“.

Genau jene Zivilgesellschaft, die zäh um ihre Freiräume vom sozialistischen Staat ringt, droht nun in der aufgeladenen Konfrontation zwischen Washington und Havanna zerrieben zu werden. Die USA wollen in Kuba, so hatte Clinton gesagt, „eine friedliche Umwandlung in eine freie und offene Gesellschaft unterstützen“. Aus Washington sind das neue Töne. Für die politische Rechte und die Hardliner unter den Exilkubanern ist das Wort „friedlich“ bereits Verrat und Kollaboration mit der Castro-Diktatur. Gleichwohl bleibt auch Clintons Politik letztlich hilflos. Denn die USA können eine gesellschaftliche Öffnung und Demokratisierung in Kuba nicht befördern, indem sie sich einmischen, sondern wohl nur, indem sie sich – endlich – heraushalten.

Natürlich sind die von Clinton verfügten Erleichterungen zu begrüßen. Sie signalisieren, daß Washingtons Kuba-Politik nicht auf ewig Geisel der unversöhnlichen Anti-Castro-Hardliner und ihrer eigenen Traumata bleiben muß. Doch gerade weil Clintons Lockerungen sich nur auf die „Unterwanderung durch Kommunikation“ beschränken, während sie gleichzeitig das Embargo bekräftigen, wird, was eigentlich ein erster Schritt der Aussöhnung sein könnte, zunächst zu politischer Verhärtung führen. Bert Hoffmann