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IWF sucht Aufgaben und Geld

Währungsfonds sieht sich als Feuerwehr im globalen Wirtschaftssystem bestätigt / Finanzierung vorgesehener Kredite mehr als ungewiß  ■ Aus Washington Nicola Liebert

Der IWF sieht wieder eine Existenzberechtigung für sich. Im vergangenen Jahr noch hatte der Direktor Michel Camdessus vergeblich darum gekämpft, dem IWF wieder mehr Einfluß – und das heißt in erster Linie mehr Geld – zu verschaffen. Bei der diesjährigen Hauptversammlung malt er sich bessere Chancen aus. Hat doch die mexikanische Finanzkrise im Winter gezeigt, daß der IWF sehr wohl eine Rolle spielt als Feuerwehr im globalen Wirtschaftssystem.

IWF-Funktionäre kokettieren deswegen damit, daß die Ressourcen des Fonds fast aufgebraucht sind. Verpflichtungen in Höhe von 53,6 Milliarden US-Dollar stehen lediglich noch 56,2 Milliarden verfügbare Mittel gegenüber. Allein 17,8 Milliarden hat der Weltwährungsfonds lockergemacht, um Mexiko beizustehen, nachdem ausländische Investoren aufgrund einer Vertrauenskrise schockartig ihr Geld abgezogen hatten. Jetzt will man daraus die Lehren ziehen: bessere Überwachung, mehr zur Verfügung stehende Mittel und schnellere Reaktionsmechanismen im Krisenfall. Wie auch die in der G 7 organisierten Industrieländer auf ihrem letzten Gipfel vorschlugen, will der IWF erreichen, daß ihm sämtliche 179 Mitgliedstaaten frühzeitig und regelmäßig ihre zentralen Wirtschaftsdaten zukommen lassen, etwa Währungsreserven, Handelsbilanz, Zins- und Preisentwicklung. Widerstände sind vor allem von einigen asiatischen Ländern zu erwarten, die eine öffentliche Bloßstellung fürchten.

Deutsche Bauchschmerzen

Zudem gibt es künftig einen Krisenfinanzierungsmechanismus für die Fälle, wo die Überwachung versagt hat. Dieser soll vor allem einen schnelleren Zugang zu Fondsmitteln gewährleisten. Der aber mißfällt einigen Ländern, vor allem der Bundesrepublik: Wenn ein Land mit großzügiger Hilfe allzu sicher rechnen könnte, dann würde es ja geradezu in Versuchung geführt, so Finanzminister Theo Waigel in Washington. Am heftigsten wehren sich die Deutschen gegen die nur zaghaft geäußerte Idee, einen zusätzlichen Krisenfonds einzurichten. Auch ein Fonds zur Währungsstabilisierung, um nötigenfalls durch Interventionen auf den Devisenmärkten eine Währung zu stützen, stößt auf wenig Gegenliebe. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik müsse nur ausreichend solide sein, dann bleibe auch die Währung stabil, so die deutsche Philosophie.

Immerhin wollen die Industrieländer dem IWF die Möglichkeit einräumen, sich seinerseits mehr Geld zu leihen. Elf Länder, die sich G 10 nennen (die Schweiz ist das später dazugekommene elfte Land), haben Kreditvereinbarungen mit dem IWF getroffen und räumen ihm damit 25 Milliarden Dollar Kredit ein. Diese Summe soll nun verdoppelt werden. Aber nicht allein die Länder der G 10 sollen die Mittel bereitstellen, sondern auch zu Geld gekommene Schwellenländer. Auch hier sträubt sich die deutsche Regierung. Geld geben dürften sie zwar schon, aber in der G 10 mitreden deswegen noch lange nicht.

Mit zusätzlichen Krediten der G 10 allein wird sich IWF-Direktor Camdessus allerdings nur ungern zufrieden geben. Immer neue Mittel für immer neue Aufgaben sollen her, so zum Beispiel für politische Krisenregionen wie Angola, Ruanda oder Haiti. Und auch den ärmsten seiner Schuldnerländer kommt der IWF gelegentlich entgegen. Zwar nicht durch einen Schuldenerlaß, wie eine ketzerische Weltbank-Arbeitsgruppe kürzlich forderte. Aber immerhin durch günstige Darlehen zu nur 0,5 Prozent Zinsen für Länder, die ein strenges Strukturanpassungsprogramm nach IWF-Manier durchführen. Auch dafür sucht der Fonds Geldgeber, denn die Billigkredite müssen subventioniert werden. Wie diese erweiterte Strukturanpassungsfazilität (Esaf) weiterfinanziert werden soll, beraten IWF-Gremien noch.

Am liebsten möchte Camdessus das Fondsgeld auf direktem Wege vermehren. Auf der letzten Jahresversammlung versuchte er es vergeblich mit der Schaffung zusätzlicher Sonderziehungsrechte, dem Kunstgeld des IWF. Jetzt will er den Weg der Quotenerhöhung gehen. Die Quoten sind die Einzahlungen der Mitgliedsländer, aus denen sich der Währungsfonds speist. Um satte 100 Prozent möchte Camdessus sie aufstocken. Dummerweise dauert es üblicherweise rund fünf Jahre, bevor sich die dazu notwendige 85-Prozent- Mehrheit bildet.

Ohne die Zustimmung der USA kommt diese Mehrheit ohnehin nicht zustande, denn die haben 17,8 Prozent der Stimmrechte. Und der US-Kongreß tut sich derzeit schwer mit Zahlungen an internationale Organisationen. Für die günstigen Esaf-Kredite des IWF zahlen die USA überhaupt nichts hinzu. Die bereits zugesagten Zahlungen an die Weltbank- Tochter IDA, die zinsbegünstigte Darlehen an die ärmesten Entwicklungsländer vergibt, werden schlicht nicht freigegeben. Angesichts der vielen Widerstände ist die Bewilligung zusätzlicher Mittel während der Tagung fraglich.

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