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Editorial

Niklas Luhmann daran, seine Gesellschaftstheorie der „funktionalen Differenzierung“ auf die einzelnen Systeme anzuwenden. Wirtschaft, Wissenschaft und Recht hat er bereits in eigenen Studien untersucht, jetzt liegt seine lang erwartete Kunstsoziologie vor. Das müßte eigentlich auch die Gemeinde der Autoren, der Kritiker und der Leser interessieren, wenn denn irgend etwas daran ist an den in letzter Zeit so laut erhobenen Klagen über die Qualität der Literatur und ihrer Kritik. Denn Luhmann versucht nicht aus der Beobachtung von Kunstwerken auf das Wesen der Kunst und daher wiederum auf die Qualität einzelner Werke zu schließen, wie Kritiker und Leser es schon tun. Er setzt vielmehr beim „kommunikativen Gebrauch von Kunstwerken“ an. Kunstwerke betrachtet er als „Kompaktkommunikationen“. Denjenigen, die über Kunst reden und auch denen, die durch Kunst kommunizieren, könnte soziologische Aufklärung darüber, was sie da eigentlich tun, nicht schaden – man denke nur an die jüngsten, teilweise unsäglich moralisierenden Debatten anhand des Falles Grass. Freilich setzt solche Aufklärung die Bereitschaft voraus, sich mit einer zunächst komplizierten Terminologie anzufreunden. Peter Fuchs, einer der produktiven Köpfe der Systemtheorie, stellt einige Grundgedanken der Luhmannschen Kunstsoziologie vor (S. 17–19).

Dem Buchmessen-Thema Österreich erweisen wir durch die Rezension von Franzobels „Krautflut“ und Elfriede Jelineks „Die Kinder der Toten“, vor allem aber durch die Karikaturen von Rattelschneck schüchtern Reverenz. Rattelschneck, bekannt vor allem aus Titanic, ist ein Hamburger Zeichnerduo, bestehend aus Marcus Weimer und Olav Westphalen. Auf einer zweiwöchigen Reise durch Oberösterreich gewonnene Eindrücke inspirierten die Zeichnungen auf den Seiten 20–28. Die Illustrationen zu Luhmann haben die beiden exklusiv für die taz gezeichnet. A propos Österreich(er): Sigmund Freud, dessen „Kürzeste Chronik“ (S. 26–27) jetzt sorgfältig ediert vorliegt, war ja auch irgendwie einer.

Und können wir sonst noch was empfehlen? Peter Rühmkorf (S. 23–24) hat ein Tagebuch voller Bekenntnisse und Klatschgeschichten veröffentlicht, das für manchen Wirbel im Literaturbetrieb sorgen wird. Von V. S. Naipaul (S. 21–22) liegen drei neue Bücher vor. Jens Johler und Axel Olly (S. 22) nehmen das mittelalte linksliberale Milieu aufs Korn. Katharina Rutschky hat sich den Mythos Kaspar Hauser (S. 27– 28) vorgenommen. Der Ire William Trevor (S. 19) zeigt, daß sich Sozialkritik und Thriller auf höchstem Niveau vertragen.

Und den Rest finden Sie schon selbst. Jörg Lau

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