Fröhliche Derwische

■ "Annemarie Schimmel und der Streit um den wahren Islam" - Mit seinem Feature will Ahmad Taheri die Debatte endlich versachlichen (22.30 Uhr, West 3)

Endlich kann man sie einmal sehen, jene berühmte Annemarie- Schimmel-Straße (Khayaban-e- Annemarie Schimmel) in Pakistan, von der in den letzten Monaten schon manches Mal die Rede war, wenn pro und contra Friedenspreis für die deutsche Orientalistin debattiert wurde. Ein Team des WDR ist unter der Leitung des Journalisten Ahmad Taheri in das Land gereist, mit dem Schimmel in der islamischen Welt am innigsten verbunden ist, und hat vor Ort nach Spuren ihres Wirkens und nach jenen Formen des Islams gesucht, denen die Zuneigung der Orientalistin gilt. Ihre Gegner haben die Tatsache, daß eine Straße in dem islamischen Land nach ihr benannt ist, zum Beweis dafür angeführt, daß sie mit den Machthabern zu eng verbandelt sei. Ihren Befürwortern gilt die Schimmel- Straße als Indiz für ihre Völker, Religionen und Kulturen verbindende Wirkung.

Ein Passant sagt, ihm fehlten die Worte, um die Bildung dieser großen Frau zu beschreiben. Ahmad Taheri fehlen sie nicht. Sein Film ist im wesentlichen eine Nachhilfestunde in Sufismus, jener mystischen Richtung des Islam, in der sich Annemarie Schimmel auskennt wie keine zweite westliche Wissenschaftlerin.

Ahmad Taheri hat sich vorgenommen, die Diskussion um die designierte Friedenspreisträgerin Annemarie Schimmel zu versachlichen. Er zeichnet die Geschichte des Konflikts nach und läßt noch einmal die Gegner – wie den Schimmel-Schüler Gernot Rotter und den Journalisten Günter Wallraff – und vor allem aber die Umstrittene selbst zu Wort kommen. Dabei erfährt man freilich mehr über ihre zahlreichen Ehrungen und Reiseandenken als über die strittigen Aussagen und Haltungen, die eine breite Front gegen Schimmel aufbrachten.

Der Film macht vor allem mit der Bedeutung des Sufi-Islam in Pakistan bekannt. Taheri betont, daß die Mystik als Gegenpol zur gesetzesorientierten Orthodoxie zu verstehen sei, als eine Form des Glaubens, der dem einzelnen religiösen Virtuosen großen Raum lasse, durch Meditation, Tanz und Musik Gott zu erfahren. Man sieht fröhliche Derwische bei einem Sufi-Fest, mit fantastischen Kleidern und Frisuren. Vor lauter Faszination für die Inspirierten flüchtet der Film streckenweise ins Folkloristische: alles so schön bunt hier.

Auch von den radikalen Fundamentalisten ist schließlich die Rede, die zum heiligen Kampf gegen die Ungläubigen aufrufen. Frau Schimmel beklagt im Interview, daß die aufgeputschten Anhänger der Jamat-i-Islami den „wahren Islam“ oft gar nicht kennten. Einmal bietet Ahmad Taheri ihr eine Brücke, auf der sie ihre Position zu Rushdie überschreiten könnte. Könnte Rushdie nicht in der Linie jener Häretiker gesehen werden, die sie verehre? Nein, sagt sie, eigentlich nicht, denn Halladsch habe ja sterben wollen, damit endlich „sein kleines Ich verlorenginge“ und er eins mit Gott werden könne. Das sei eine ganz andere Geisteshaltung.

Und so ist es ja in der Tat. Jörg Lau