Wirtschaftskammer wird abgeschafft

■ Bürgerschaftsfraktionen einstimmig für Verfassungsänderung

Die Wirtschaftsdeputation hat gestern einen Schlußstrich unter das langsame Sterben der Wirtschaftskammer gezogen. Einstimmig stimmte sie der Auflösung dieser paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Körperschaft des öffentlichen Rechts zu und bat die Bürgerschaft, die Wirtschaftskammer aus der Landesverfassung zu streichen. Die Kammer ist bereits seit April nicht mehr handlungsfähig, da die Arbeitgeberseite eine Beteiligung an ihren Gremien boykottiert.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte die SPD noch die von CDU, FDP und Grünen geforderte Abschaffung der Kammer verhindert. Durch den Rückzug der Arbeitgeberseite sei sie jedoch „nur noch eine Hülse“, konstatierte nun der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Detmar Leo, und stimmte gestern ihrer Auflösung zu. Und auch der Geschäftsführer der Handelskammer, Uwe Nullmeyer, nahm das Sterben der „Schwesterkammer“ gestern gelassen hin: „Weinen tun wir darum nicht.“

Die Bremer Wirtschaftskammer war 1947 als bundesweit einmaliges Gremium für einen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschaffen worden. Nach der Landesverfassung hat sie sogar ausdrücklich die Aufgabe „bei Enteignungen“ zu vermitteln. Da es jedoch trotz der verfassungsrechtlichen Möglichkeit in Bremen nie zur Vergesellschaftung von Unternehmen kam, mußte auch die Kammer diese Aufgabe nie übernehmen. Und auch ansonsten trat sie kaum in Erscheinung – außer bei der Aufstellung des Haushaltsplans, in dem sie jedes Jahr mit fast einer Million Mark zu Buche schlug.

Kalt erwischt wurde der Kammer-Geschäftsführer, Richard Skribelka, von dem Beschluß der Wirtschaftsdeputation. „Ich wußte gar nicht, daß das auf der Tagesordnung stand“, sagte er gestern nachmittag auf Anfrage der taz. Skribelka leitet seit 1986 als hauptamtlicher Arbeitnehmervertreter die Geschäfte der Kammer. Seit seiner Selbsternennung zum Bremerhavener Ehrenbürger und einer Genua-Reise mit Teilen der dortigen SPD-Stadtverordnetenfraktion läuft ein Parteiausschlußverfahren gegen den früheren Bremerhavener DGB- und SPD-Fraktionsvorsitzenden. Kein Wunder, daß er von seinen Parteifreunden nicht mehr auf dem Laufenden gehalten wird.

Besonderen Spaß hat den fünf hauptamtlichen Angestellten der Wirtschaftskammer ihre Arbeit sowieso nicht mehr gemacht. Denn seit es keinen beschlußfähigen Vorstand mehr gibt, hätten sie „öffentlich nicht mehr in Erscheinung treten und keine Gutachteraufträge mehr vergeben dürfen“, wie Skribelka sagt. Somit habe die Arbeit nur noch aus dem „Weiterbearbeiten laufender Vorgänge“ bestanden. Skribelka: „Das ist frustrierend, denn irgendwann ist auch das Letzte aufgearbeitet.“ Ase