"Sich aufhängen"

■ Ausländische StudentInnen bleiben meist unter sich

„Sie glauben, sie sind die Elite und wir nur die dummen Ausländer aus der Dritten Welt. Aber sie irren sich. Wenn sie nur einen Tag in unserer Situation wären, würden sie sich aufhängen.“ Muhammed, angehender Student der Pharmazie an der FU, weiß, wovon er spricht. Seit Stunden sitzt er im Büro des akademischen Auslandsamtes der FU, um sich für den endlich erhaltenen Studienplatz in Berlin einzuschreiben. Muhammed hatte bislang Chemie in Tübingen studiert, während er auf seinen Wunsch-Studienplatz Pharmazie wartete. Nun hat er zwar die Zulassung von der Universität, doch ohne gültige Aufenthaltserlaubnis für Berlin kann er sich nicht einschreiben. Doch bis die Ausländerbehörde in Tübingen seine Akte nach Berlin geschickt hat, ist die Frist für die Immatrikulation abgelaufen. Was Muhammed machen soll, weiß er nicht.

Über 5.000 Studierende mit ausländischem Paß gibt es derzeit an der Freien Universität, das sind etwa zehn Prozent der StudentInnen. Sie kommen nach Deutschland, weil die deutschen Unis einen guten Ruf haben, weil sie gewisse Fächer in ihrem Heimatland nicht studieren können, und weil man sich hier, im Vergleich zu anderen Ländern, durch Jobben neben dem Studium selbst finanzieren kann. Die FU bezeichnet sich gern als „strukturell ausländerfreundlich“. Doch was das heißt, weiß niemand so genau. Denn eine besondere Hilfestellung für ausländische StudentInnen gibt es nicht, die einzige Beratungsstelle wurde gar im vergangenen Jahr gestrichen. Auch im Alltag haben Menschen mit fremdem Paß ungleich größere Probleme zu meistern als ihre deutschen KollegInnen. Nur rund zehn Prozent, schätzt Siamend Hajo, Ausländerreferent der AStA der FU, bekommen ein Stipendium. Und die lieben Eltern mit der Finanzspritze für Notfälle sind weit.

Muhammed wohnt in einem Studentenwohnheim auf acht Quadratmetern für 300 Mark. „Bei uns zu Hause sind die Einzelzellen billiger“, scherzt der gebürtige Palästinenser. Dennoch: Die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt sind teurer und Ausländer haben oft keine Chance.

Ständig sitzt die Ausländerbehörde im Nacken. Jede Abweichung vom geplanten Studienverlauf kann eine Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung bewirken. Als ein Politologie-Student aus Korea im Anschluß an sein Studium noch promovieren wollte, bescheinigte ihm die Ausländerbehörde, dies „liege nicht im Interesse der Bundesrepublik“. Einem Studenten der Pharmazie wurde mitgeteilt, nach der Überschreitung der Regelstudienzeit um mehrere Semester rechne man nicht mehr mit einem erfolgreichen Abschluß seines Studiums.

Dabei wollen die meisten nach Ende ihres Studiums sowieso nicht länger bleiben. Sie fühlen sich nicht integriert, Freundschaften zu schließen ist schwierig. In der Cafeteria der Silberlaube sitzen die ausländischen Studierenden immer an „ihren“ Tischen in Grüppchen beisammen. Khalil studiert im 4. Semester Medizin: „Ja, die meisten meiner deutschen MitstudentInnen sind freundlich, wir sagen uns Hallo und Tschüß, aber abends zusammen in einer Kneipe waren wir noch nie.“ In den modernen Lernfabriken ist jeder sich selbst der nächste, keiner hat Lust, mit einem Ausländer, der vielleicht etwas langsamer arbeitet, Zeit zu verlieren. Oft sind daher die Arbeitsgruppen für ausländische StudentInnen „schon voll“. „Wenn ich etwas gut kann, dann kommen sie zu mir, aber wenn ich etwas nicht verstanden habe, etwa wegen Sprachschwierigkeiten, kümmert sich kaum jemand um mich“, sagt Khalil. Er fühlt sich von seinen KommilitonInnen oft mißverstanden. Des öfteren werde ihm vorgehalten, Extremist und frauenfeindlich zu sein, nur weil er Palästinenser und Moslem sei. „Dabei bin ich zu allen gleich nett und nach meiner politischen Meinung hat mich noch nie jemand gefragt.“ Und er fügt hinzu: „Wenn die Studenten schon Vorurteile haben, was sagen erst die Leute auf der Straße?“

Christiane Habermalz