Rüttgers' Schulden-Club

Ein Wegweiser durch den Dschungel der Vorschläge zur Bafög-Reform: SPD und Grüne sind gegen Kredite mit marktüblichen Zinsen  ■ Von Ralf Oberndörfer

Erstens: Zukunftsminister Jürgen Rüttgers (CDU) will das Bafög als Volldarlehen mit marktüblichen Zinsen ausgestalten. Heute wird die Förderung jeweils zur Hälfte als Zuschuß und als zinsloses Darlehen gezahlt. Der Rüttgers-Kredit soll nach einer vierjährigen Karenzzeit nach Ende des Studiums zurückgezahlt werden. Das Risiko der Zinserhöhung tragen die Studierenden. Bei einer Förderung mit dem Höchstsatz über elf Semester ergibt sich so eine Rückzahlungslast von mehr als 70.000 Mark – mehr als doppelt soviel wie bisher. Auf zwanzig Jahre verteilt, belaufen sich die monatlichen Raten dann auf 299 Mark. Gerechtfertigt wird dieses Modell mit der „gehobenen beruflichen Existenz“, die AkademikerInnen nach der Karenzzeit „regelmäßig“ begründen würden. Rüttgers will mit den von ihm errechneten 1,6 Milliarden Mark, die diese Veränderung einsparen soll, den Hochschulausbau finanzieren und stellt für 1996 eine weitere Erhöhung des Bafög um sechs Prozent in Aussicht.

Kritik gibt es unter anderem von SPD, Bündnisgrünen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und vom Deutschen Studentenwerk (DSW). Man befürchtet eine Verkleinerung des sowieso schon niedrigen Anteils von StudentInnen ohne traditionell akademischen Familienhintergund.

Zweitens: SPD, GEW, DSW und die Vorsitzende des Wissenschaftsarbeitskreises der Bündnisgrünen, Elisabeth Altmann, favorisieren als Alternative verschiedene Sockelmodelle. Dabei sollen die indirekten und direkten Finanzierungen des Familienlastenausgleichs (etwa Kindergeld und Steuerfreibeträge) zu einer einheitlichen Finanzierung zusammengefaßt werden, um die bisherige Bevorzugung einkommensstarker Familien zu vermeiden. Dieser Sockelbetrag von ungefähr 400 Mark soll elternunabhängig an die Studierenden direkt ausbezahlt werden. Die weitergehende Förderung soll elternabhängig sein, jeweils mit kleinen Unterschieden. Der SPD-Vorstand will das Bafög unter Anpassung der immer noch zu niedrigen Bedarfssätze in seiner bisherigen Form erhalten. Studiengebühren lehnt er ab.

Drittens: Das DSW will zusätzlich zum Sockel in einer zweiten Stufe bis zu 650 Mark als Aufbauförderung gewähren, halb als Zuschuß und halb als Darlehen. Der Rest, der zum durchschnittlichen Betrag studentischer Lebenshaltungskosten von rund 1.250 Mark noch fehlt, soll entweder durch verzinsliche, für den Staat kostenneutrale Darlehen oder durch „studiennahe Teilzeitarbeit“ von vier bis sechs Stunden in der Woche gedeckt werden.

Viertens: Etwas weitergehend ist der Vorschlag von Elisabeth Altmann. Zum Sockelbetrag wird über generell zwölf Semester eine Aufbauförderung von bis zu 800 Mark halb als Zuschuß, halb als zinsloses Darlehen gewährt. Können StudentInnen nachweisen, daß sie diesen Zeitrahmen aus Gründen, die nicht sie zu verantworten hatten, überschreiten, soll die Aufbauförderung für diese Zeit als Vollzuschuß gewährt werden.

Fünftens: Die GEW geht noch weiter. Sie will die Lücke zwischen Bedarf und Sockelbetrag mit einem Vollzuschuß schließen, also auf die Darlehenskomponente in ihrer zinslosen Form verzichten. Dieses Modell favorisiert auch der „freie zusammenschluß von studentInnenschaften“ (fzs).

Während SPD und DSW stark auf eine finanzneutrale Alternativkonzeption zu Rüttgers' Vorschlag hinarbeiten, stehen GEW und Elisabeth Altmann zu den sich abzeichnenden Mehrkosten ihrer Vorschläge von rund sechs Milliarden Mark.

Sechstens: Einen ganz anderen Weg geht der zweite Vorschlag aus den Reihen der bündnisgrünen Fraktion. Das Modell des jugendpolitischen Sprechers Matthias Berninger sieht eine Ausbildungskasse vor. Auch hier sollen die bisherigen herkunftsbezogenen Vergünstigungen für die Familien der StudentInnen abgeschafft werden. Statt dessen können alle StudentInnen je nach Bedarf über einen begrenzten Zeitraum, der allerdings einen Fachwechsel nach bis zu vier Semestern möglich machen soll, einen Betrag von bis zu 1.000 Mark pro Monat abrufen. Später, nach dem Eintritt ins Berufsleben, sollen dann alle, die während ihres Studiums die Kasse in Anspruch nahmen, bis zu vier Prozent ihres Bruttoeinkommesn zurückzahlen.

Ralf Oberndörfer lebt in Berlin und ist Mitarbeiter der bundesweiten Hochschulzeitung FAUST.