Sanssouci
: Nachschlag

■ Fünf Jahre Pfefferberg mit Öko-Skulpturen, Martin Buchholz und - endlich - einer russischen Party

Der Prenzlauer Berg war im 19. Jahrhundert ein bevorzugter Standort für Brauereien. 1841 siedelte sich auch der bayerische Bierbrauer Pfeffer an der Schönhauser Allee an, am Pfefferberg. 21 Gebäude, 12.000 Quadratmeter Fläche, von denen der fünf Meter über dem Straßenniveau liegende Biergarten nur einen kleinen Teil ausmacht. In den 20er Jahren, nachdem die Brauerei dichtgemacht hatte, wurde hier Schokolade gerührt, in den 40ern Brot gebacken, in den 50ern Akten gelagert. Dann kümmerte sich niemand mehr ums Volkseigentum.

Heute ist der Pfefferberg Sitz von Pfefferwerk e.V., einem unübersichtlichen Geflecht von 20 Einzelprojekten, die von Sozialarbeit, Stadtökologie, AusländerInnenberatung, Veranstaltungsmanagement bis zu Werkstätten und Theaterworkshops so ziemlich alles machen. Am bekanntesten ist der Pfefferberg aber für seine Parties und Konzerte aus den Sparten Weltmusik, Ska und Musik aus Osteuropa. Und eine schönere Chill-out-Zone als die unter den Kastanien gibt es in Berlin nicht.

Das Gelände gehört heute je zur Hälfte Berlin und dem Bund. Und letzterer wollte sich von seinem Teil bisher nicht trennen. Die meisten Gebäude gammeln deshalb vor sich hin und werden nur dann und wann als Krimikulissen aus dem Schlaf geholt. Unzählige Nutzungskonzepte lagern in Berliner und Bonner Schreibtischen – beantwortet wurden sie bisher vor allem mit wohlwollendem Hinhalten.

War es die ungeklärte Zukunft, die die Feier zum fünfjährigen Jubiläum so herbstlich matt werden ließ, der neblige Abend oder war es das Plätschern der erbarmungslos kitschigen Öko-Skulpturen von Thomas Schön? Winzige Quellen ergossen sich überall in moosige Bonsai-Paradiese mit Seen aus Spiegelscherben, auch in den Ästen einer Kupferrohr-Weide zirkulierte viel Wasser, und ein raffiniert in einem rostigem Stahlhelm versteckter Halogen-Spot beleuchtete die Bar. Da Martin Buchholz das Publikum in seinem neuen Programm „Mach mir den Wessi“ (vgl. taz vom 9.10.) u.a. mit ironisch umgeschriebenen und unironisch geschrammelten Versionen von „Yesterday“ oder „Love Me Tender“ zu umgarnen versuchte, war es eine richtige Erleichterung, als endlich Ole Lukoye aus St. Petersburg auf die Bühne kamen, heftig mit dem Fagott herumwirbelten und so spielten, als seien sie Portishead vom Schwarzen Meer. Kluge Pfefferberg-Freunde zogen erst jetzt mit ihren Rotweingläsern nach drinnen um. Jörg Häntzschel