Mit weniger hoffen auf mehr

Bezirke vor der Wahl: Die Verkleinerung der Bezirksämter auf fünf Stadträte wirft Schatten voraus. Benachteiligt werden die kleinen Parteien  ■ Von Kathi Seefeld

„Schlechter kann es in Weißensee ja nicht mehr werden“, klagt Sozialstadträtin Claudia Hämmerling (Bündnis90/Die Grünen). Wann immer es in den vergangenen Jahren in Weißensee etwas zu entscheiden gegeben hatte, „standen die Mehrheiten bereits vorher fest“.

Vier Stadträte inklusive Bürgermeister kamen aus den Reihen der SPD, die bei den letzten Kommunalwahlen 39,3 Prozent der Wählerstimmen erhielt. Die CDU (18,3%), die PDS (18,5%) und das Bündnis (14,4%) hatten je einen Posten besetzt. „Meine Anwesenheit war bei Abstimmungen ein formeller Akt. Ich hätte auch aufs Klo gehen können. Wenn das SPD- Quartett aus der Parteiversammlung mitbrachte, ab morgen wird alles gelb, dann wurde alles gelb.“

Daß sich an dieser Art, Entscheidungen zu fällen, nach dem 22. Oktober etwas ändern wird, kann bezweifelt werden. Dann soll es in den Bezirken statt sieben nur noch fünf Stadträte geben.

Beim Run auf die dezimierten Stadtratsposten haben die kleineren Parteien mit deutlich weniger als 20 Prozent der Stimmen kaum eine Chance. Politische Bezirksämter aus koalierenden Parteien, wie sie im Zuge der Verwaltungsreform von Bündnis 90/Die Grünen, PDS und FDP gefordert wurden, wird es nicht geben.

Die Möglichkeit von Parteien, bei der Wahl von Stadträten koalieren zu können, trieb im Sommer vorigen Jahres der CDU den Angstschweiß auf die Stirn. Besonders im Westteil fürchtete sie Machtverlust durch eine Vielzahl rot-grüner Bezirksämter.

Doch als über das Gesetz zur Reform der Verwaltung im Abgeordnetenhaus entschieden wurde, erwies sich die SPD wieder einmal als zuverlässige Umfallerin. Mit dem Wunsch, die Verwaltungsreform noch vor der Sommerpause anzuschieben, stimmte sie im Widerspruch zur Mehrheit ihrer Parteibasis gemeinsam mit der CDU gegen die Einführung politischer Bezirksämter. Erlaubt sind lediglich Zählgemeinschaften für die Wahl des Bezirksbürgermeisters. Eine Regelung, welche in den Ostbezirken die Wahl von PDS-Bürgermeistern verhindern kann.

Die Trauer über das Nichtzustandekommen politischer Bezirksämter ist groß. Schließlich gibt es künftig mit den „Globalhaushalten“ in den Bezirken wahrhaft etwas zu entscheiden. Die Bezirke können demnach eigenverantwortlich mit ihnen zugewiesenen Geldern wirtschaften. Eventuell Gespartes wird zum Jahresende nicht mehr einfach gekürzt, sondern kann weiter investiert werden. Das Ressort Finanzen gehört somit erstmals zu den begehrten Posten. Nicht weniger begehrt ist besonders in den Innenstadtbezirken des Ostens das Amt des Baustadtrats. Schon im November vorigen Jahres wollte die SPD in Pankow ihren Claim abstecken. Sie versuchte, die für die PDS agierende parteilose Baustadträtin Claudia Nier „wegen Arroganz und Nichtachtung der BVV“ zu kippen.

SPD-Bezirksbürgermeister Jörg Richter hätte das Ressort übernommen. Doch fremde Früchte zu ernten war der SPD nicht vergönnt. Claudia Nier blieb – auch durch die Stimmen der Bündnisgrünen – im Amt. Wird die SPD nun stärkste Partei im Bezirk, hat der bisherige Volksbildungsstadtrat Lubowinski große Chancen auf den Posten.

Claudia Nier wiederum wünschen sich nicht wenige in den Prenzlauer Berg, wo der Bündnisgrüne Baustadtrat Matthias Klipp nicht mehr will. Dem entgegen stehen Überlegungen, das Ressort ganz aufzulösen. In den Reihen der Bürgerbewegten wiederum hofft man, bei einem entsprechenden Wahlergebnis des Bündnisses, auf die in Mitte entmachtete Baustadträtin Dorothee Dubrau.

Insgesamt existieren darüber, welche Ämter erhaltenswert sind und welche zur Auflösung freigegeben werden können, in den Bezirken durchaus verschiedene Auffassungen. In Charlottenburg sollen die Ressorts Gesundheit und Soziales zusammengelegt werden, die grüne Gesundheitsstadträtin Annette Schwarzenau wird damit der Bezirksamtsrunde nicht mehr angehören. Ähnlich könnte es auch CDU-Stadtrat Andreas Statzkowski gehen. Sein Volksbildungsressort soll es ebenfalls nicht mehr geben.

„Die Arbeit ist genaugenommen mit noch weniger Stadträten zu realisieren“, weiß der von seiner Partei nicht wieder aufgestellte Bürgermeister von Marzahn, Andreas Röhl (SPD). „Wichtig ist allerdings, daß die Verwaltung darunter stimmt.“

Weniger als fünf Ressortleiter seien nur deshalb nicht sinnvoll, weil eben auch mal jemand krank werde oder Urlaub machen müsse. In Marzahn hat man – nicht ganz freiwillig – die Reduzierung schon vorweggenommen. Zuletzt bestand das Bezirksamt nur noch aus vier Stadträten neben dem Bürgermeister.

Im Dezember 1994 war die parteilose Wirtschaftsstadträtin Ines Saager mit dem Mandat von Bündnis 90/Die Grünen aus dem Bezirksamt ausgeschieden, ihr Ressort vom Baustadtrat Wilfrid Nünthel (CDU) übernommen worden. Als die PDS-Jugendstadträtin Margit Barth wegen Stasi-Vorwürfen im Juli vom Dienst suspendiert wurde, fielen ihre Aufgaben an das ebenfalls von der PDS geführte Gesundheitsressort.

„Wichtig scheint mir, daß auch künftig Sachthemen im Mittelpunkt der Bezirksamtsarbeit stehen und derjenige, der mit einem Drittel der Wählerstimmen heute Bürgermeister oder Stadtrat wird, im Hinterkopf hat, daß da immerhin noch zwei Drittel sind, um die man sich auch kümmern muß“, gibt Bürgermeister Andreas Röhl seinem Nachfolger mit auf den Weg.