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Pokal für den sechsten Platz

Die ach so geheimen Sporttrophäen der Bundesanwaltschaft: Ein Besuch im Pokalzimmer von Generalbundesanwalt Cay Nehm  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Neulich gab es bei der taz eine Hausdurchsuchung. Wildfremde Männer und Frauen durchwühlten die heiligen Schreibtische und suchten ein Bekennerschreiben, also ein Blatt Papier. Ein Blatt Papier in der taz zu suchen, das klingt doch sehr nach „Nadel im Heuhaufen“. Aber sie haben es gefunden – Respekt, die RedakteurInnen finden auf Ihren Schreibtischen längst nicht immer alles.

Die Herren in den Kunstlederjacken konnten aber nicht genug bekommen. Nach dem Motto „Wenn wir schon mal da sind ...“ haben sie gleich noch einiges andere von unseren Schreibtischen abgeräumt und nach Karlsruhe zur Bundesanwaltschaft (BAW) geschickt. Dort wurden jetzt die versiegelten Umschläge geöffnet – netterweise im Beisein der taz. Der Inhalt: Zettel mit Telefonnummern, einige Tonmitschnitte von Vorträgen über Totalitarismus, Trinkwassersparen und die Benutzung von Betriebskantinen. Offensichtlich nichts, was mit dem besagten Bekennerschreiben zu tun hatte.

Aber der Ausflug nach Karlsruhe hat sich gelohnt. Denn so konnte der taz-Reporter immerhin das Pokalzimmer der Bundesanwaltschaft (BAW) sehen. Eigentlich ist es ja das Besuchszimmer. Hier warten die Besucher der BAW, nachdem sie bei der Durchsuchung am Eingang gründlich zerlegt worden sind. Das Wartezimmer enthält die andernorts überzähligen Möbelstücke und strahlt den miefigen Charme der 50er Jahre aus. Sofort ins Auge fällt eine fast überquellende Vitrine mit Sportpokalen. Große, kleine, silbern und golden glänzende Trophäen sind dort eingepfercht. Offensichtlich können die Sicherheitsbeamten schlecht verlieren, denn selbst für den 6. Platz beim Turnier des Bundeskriminalamtes (BKA) 1994 gibt es noch eine Trosttrophäe, die manchem Dorfturnier als Siegerpokal alle Ehre gemacht hätte.

Ein kurzer Rundblick erschließt, gegen wen die Mannen der BAW eigentlich spielen. Die Wände hängen voll mit den Wimpeln gegnerischer Mannschaften. So erfahren wir also, daß es eine „Sportgemeinschaft Bundesministerium des Innern“ gibt, einen „Richtersportverein Stuttgart“ und einen „Verein fußballspielender Juristen Hannover“.

Beim BKA gibt es entweder zwei Fraktionen, die nicht einmal gemeinsam fußballspielen wollen (was uns neu wäre), oder es sind einfach zu viele, die sich (endlich?) sinnvoll betätigen wollen. Jedenfalls finden sich an der Wand Hinweise auf eine „Sportgemeinschaft BKA“ ebenso wie auf einen „Sportclub BKA“.

Wer sich aber nun genau die Beschriftungen von den Wimpeln abschreiben will, erntet nur Mißtrauen. Ein des Weges kommender Beamter fragt mit schneidiger Stimme: „Wieso machen Sie sich hier Aufzeichnungen?“ Der Autor dieses Berichts lächelt freundlich: „Ich mache eine Reportage über den ,schlanken Staat‘ und da interessiere ich mich natürlich für die sportlichen Aktivitäten der Bundesanwaltschaft.“ Dies scheint den Beamten milde zu stimmen, so daß er nur ermahnt: „Seien Sie aber vorsichtig mit Informationen, die unser Haus gefährden, denn immerhin spielt hier der Chef selber mit.“

Der Generalbundesanwalt Cay Nehm spielt also selbst in der Mitarbeitermannschaft. Das ist ja interessant. Aber ist das jetzt eine Information, die „das Haus gefährden“ könnte? Muß die taz das für sich behalten? Wohl nicht, sonst hätte es der schneidige Beamte ja dem Autor nicht sofort auf die Nase gebunden. Der fährt fort, seine „Aufzeichnungen“ zu vervollständigen. Doch da kommt Frau Fischer, die das Verfahren wegen des Bekennerschreibens leitet. „Sie haben sich hier Aufzeichnungen gemacht?“ fragt sie sofort vorwurfsvoll – „Ja, über die lustigen Wimpel und so.“ „Sie wissen, daß wir hier das Hausrecht haben. Wenn Sie hier irgendwelche Aufzeichnungen machen wollen, dann fragen Sie vorher.“ Die Frau ist wirklich sauer. Hat die BAW Angst, daß die taz über den peinlichen 6. Platz beim BKA-Turnier 1994 berichtet könnte? Dann verweist sie den Reporter des Geländes, weil sie erst in einer Viertelstunde Zeit habe.

Das ist etwas unverhältnismäßig, weil sich der tazler beim erneuten Zutritt nochmals zerlegen lassen muß. Doch die BAW hat in Sachen Pokalzimmer noch nicht aufgegeben. Als Frau Fischer schließlich empfängt, fordert sie den Autor erst einmal auf, die wohl doch recht gefährlichen „Aufzeichnungen“ herauszugeben. Durch ein mehrsemestriges juristisches Studium auf den Ernst des Lebens ausreichend vorbereitet, erwidert der tazler: „Haben Sie denn eine Rechtsgrundlage?“ Hat sie nämlich nicht, wie sie freundlich lächelnd eingesteht. Also kriegt sie auch keine Aufzeichnungen. Damit hat sich das Jurastudium schon gelohnt.

„Wenn Sie die Pokale ausstellen, dann können diese wohl nicht so geheimhaltungsbedürftig sein“, versucht der Reporter zu argumentieren. Aber was ist schon Logik: „Bisher hat sich noch nie ein Pressevertreter Notizen gemacht“, sagt Frau Fischer, „da werden Sie eben künftig im Besuchszimmer an leere Wände schauen müssen.“ Das ist eine Drohung, auwei! Vorschlag für die Bundesanwaltschaft: Hängen Sie doch einfach diesen Artikel an die Wand. Damit alle BesucherInnen nachlesen können, was ihnen entgangen ist.

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