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„ Für Ratten viel zu eng“

■ Im „Pfalzburger Hof“ kriegt jeder für 21 Mark pro Nacht sechs Quadratmeter

„Hier muß keiner wohnen“, sagt Hausbesitzer Müller. Den „Pfalzburger Hof“ gibt es seit 1985, immer war es eine Adresse für diejenigen, die sonst in dieser Stadt keine Unterkunft fanden: Säufer, Junkies..Für 26 Personen hat das Sozialamt das schlichte Haus an der vierspurigen Autobahnzubringer genehmigt. Mit Ungeziefer gibt es immer Probleme wie in allen Notunterkünften, aber Ratten? Das bestreitet der Hausmeister, selbst Sozialhilfeempfänger überzeugend: „Dafür ist es hier viel zu eng.“

Die 78jährige Lisa J. wollte da einmal ihren Sohn besuchen. „Als ich da schon reinkam...“ Höchsten 14 Quadratmeter sei der Raum groß gewesen, drei Betten, der Kocher steht auf der Erde. Weil renoviert wird, im Haus ist die Gemeinschaftsküche unbenutzbar – „seit anderthalb Jahren renovieren die schon“, weiß Frau J.. Auf dem Fensterbank stand ein Glas mit gesammelten Kakerlaken. „Die füttern Spinnen damit“, erzählt die alte Dame. Der Hausmeister hat eine andere Version: eine Mark gebe er für jede abgelieferte Kakerlake.

21 Mark 75 kostet die Unterkunft im „Pfalzburger Hof“ pro Nacht und Nase, das macht im Monat gut 15.000 Mark. Als Miethai möchte sich der Hausbesitzer aber nicht beschrieben wissen: „Wie ein Hotel“ müsse man da kalkulieren, sagt er, Strom und Wasser, Küchenbenutzung bis zu Wäschewaschen und frischen Handtücher ist alles inklusive.

8 Quadratmeter verlange das Sozialamt für ein Einzelzimmer, die 14 Quadratmeter wurden sogar als „Familienzimmer“ abgenommen, auch vom Sozialamt her sehe man lieber Doppel-Belegung (12 Quadratmeter): Da kontrolliert der Alkie den Junkie und der Junkie den Alki. Alkohol und Stoff sind nämlich verboten, jedenfalls in der Hausordnung. Auch für die Hygiene sei das Zusammenleben nur von Vorteil, einmal habe einer seinem Zimmer-Kollegen unter Androhung von Prügel unter die Dusche gezwungen: „Sonst wäscht der sich nie.“

Derzeit wird alles umgebaut, auch aus der früheren Gaststube werden Zimmer von ca. 12 Quadratmetern Größe. 30 Plätze will der Hausbesitzer anerkannt bekommen, Bedarf, so weißt er, gibt es immer genug: „Wer will die denn schon? Das ist doch der Abschaum der Menschheit.“

Aber eigentlich sind 21 Mark pro Nase zu wenig, findet er: Der Teppich im Flur hält gerade drei Jahre, die Haustür wird immer dann eingetreten, wenn einmal einer seinen Schlüssel vergessen hat, sauber machen tut eigentlich niemand, die Putzfrau hat gekündigt, weil sie beim Abräumen nicht in benutzte Spritzen greifen wollte. Abgebrochene Waschbecken -– kommt alle Tage vor. Und wenn man Regreß fordern würden, würden die Betroffenen einfach verschwinden – „der Rest ist Backe putzen.“ Der Beweis: Als der Hausmeister einmal Streß hatte mit einem, sagte der „Scheißhausmeister!“, ging auf sein Zimmer, kackte auf das Bett und verließ mit seinen drei Sachen der Pfalzburger Hof in Richtung auf eine andere Notunterkunft. „Da können Sie nichts machen“.Aber irgendwie auch schön, manchmal sogar eine Gemeinschaft. Einmal haben sie alle gemeinsam Weihnachten gefeiert, „ich bin genauso ein Heini wie die auch“, findet der Hausmeister. Und redet wie die anderen über die Sozialbehörde: Über die Sachkostenzuschüsse, die doch nur versoffen werden, über die Methadonvergabe („Glauben Sie, daß einer, der Pola bekommt, nicht mehr drückt?“), über das Geld, das zum Fenster hinausgeschmissen wird. „360 Mark kassiert der Arzt für einen Substitutions-Schuß. Das könnte ich auch verteilen, ich würde mich hier mit Schnapsgläschen hinstellen“, sagt der Hausmeister. Ob die spritzen oder nicht kontrolliere der Arzt doch nicht.

Auch Kinder wohnen ab und an in der Notunterkunft. Dafür gibt es nur den halben Satz, klagt der Bausbesitzer, und Unsinn machen die für zwei. Das Sozialamt schicke ihm die Leute, weil sie nirgends sonst unterkämen. Und nochmal: „Hier muß keiner wohnen.“ K.W.

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