■ Deutschland, ein Land voller Tennisprofis
: Steuerprobleme? Ich hab' keine mehr

Was haben wir es uns früher selber schwergemacht! Da habe ich mein Secondhand-Sofa und den Ikea-Schreibtisch in die zum steuerlich absetzbaren Arbeitszimmer umfunktionierte Besenkammer geschleppt. Den Videorecorder im Flur aufgebaut, damit das Finanzamt mir abnimmt, daß ich den Recorder niemals privat nutze, und ich ihn abschreiben kann. Und als dann der Prüfer vom Finanzamt kam, schmiß ich die von unserer Nachbarin Frau Fredestein ausgeliehene Kaffeemaschine an, damit ein Teil der Küche aufgrund eines zweiten, rein betrieblich genutzten Kaffeeautomaten noch mit 0,34 Prozent als Bewirtungsausgabe in meiner Steuererklärung durchging.

Endlose Briefwechsel und erregte Debatten mit Sachbearbeitern, nur um 20 Liter Benzin als Betriebsausgabe durchzubekommen. Ganz zu schweigen von den vielen schlaflosen Nächten mit Angstzuständen, daß das Finanzamt die 400 Mark Schwarzgeld, die ich im Blumenkübel auf dem Balkon für schwere Zeiten verstecke, entdecken könnte. Aber trotz all dieser steuermindernden Aktivitäten schickte mir mein Finanzamt mit jedem Steuerbescheid gleich zwei Rollen Kleenex-Papier mit – für meine Tränen.

Dann aber wurde alles anders. Ich meldete mich als Tennisprofi an. Der Direktor vom Finanzamt hält mir jetzt nicht nur jedes Mal die Tür auf, sondern bewirtet mich auch in seinem Privatbüro bei Käseschnittchen und Putenschenkelsnacks mit einem Cognac. Mein Sachbearbeiter schüttelte lachend den Kopf, als ich mit meinen zwei Kartons voller Ausgabenbelege ankam: „Aber Herr Jürgensen, Sie als Tennisprofi haben doch für so etwas gar keine Zeit mehr!“ Er warf meine Belege zum Fenster raus und notierte in meiner Akte: „35 Prozent Ausgabenpauschale für Sonderaufwendungen.“

Während er mir erläuterte, daß ich nun nur noch alle vier Jahre mal vorbeischauen sollte, fiel ihm noch ein: „Ach ja, die 20prozentige Abschreibung für Sportgeräte dürfen wir natürlich nicht vergessen.“ Und schon hatte sich mein Steueraufkommen um 55 Prozent reduziert. Meinen erstaunten Blick deutete er als kritische Ablehnung, deshalb schob er eilfertig nach: „Na ja, und dann müssen wir bei Ihnen natürlich noch die außergewöhnlichen Belastungen aufgrund Ihres Auftretens als Tennisprofi in der Öffentlichkeit berücksichtigen.“

Ich sagte nichts, sondern schaute zu, wie er in meinen Unterlagen mein steuerpflichtiges Einkommen auf 5 Prozent zusammenstrich, während ich zufrieden über die Saiten meines mitgebrachten Tennisschlägers strich. „Ach“, fiel mir ein, „wie ist eigentlich die Telefondurchwahl vom Finanzminister?“ Meine Frage ließ den Sachbearbeiter zusammenzucken: „Sagte ich 5 Prozent? Ach, ich Dummerle. Ich hatte ja ganz vergessen, daß wir bei Ihnen noch die Auslandsaufwendungen einbringen müssen. Das sind dann noch mal 20 Prozent ...“

Ich verließ das Büro meines Sachbearbeiters mit der schönen Gewißheit, daß ich zukünftig für jede Mark, die ich einnehme, aus der Staatskasse noch 35 Pfennig als Zuschuß aus der allgemeinen Sportförderung des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten erhalte. Schließlich helfe ich durch meine geschlagenen Tennisbälle mit, daß in Deutschlands Auen der Graswuchs nicht die von der Europäischen Kommission vorgeschriebene Maximalhöhe von 3,75 Zentimetern überschreitet.

Im Flur vor den Bürozimmern warteten die anderen Steuerpflichtigen. Wir spielten noch schnell gemeinsam einige Top-Spins. Irgendwie erstaunlich, daß es in unserem Land jetzt nur noch Tennisprofis gibt. Kurt Nane Jürgensen