Schwer widerlegbare Abgeschmacktheit

Fotografie als Fixierung: „Adult Comedy Action Drama“, ein seltsamer Bildband von Richard Prince  ■ Von Ulf Erdmann Ziegler

Richard Prince hätte ich nie als Fotografen bezeichnet. Er ist der Künstler, der Fotografie in den Medien aufgespürt hat – die Marlboro-Cowboys, die frühen Nacktaufnahmen von Brooke Shields –, aber seine Methode, Bilder zu rezirkulieren, war zugleich klinisch und museal. Noch nach Jahren bleibt die Frage, ob es hinreicht, Motive zu entdecken und auf ihre Signalwirkung zu reduzieren.

Die Publikation seines Buchs „Adult Comedy Action Drama“ zeigt Richard Prince als fotografischen Autor, als jemanden, der zwischen Fotografierbarem und Nichtfotografierbarem unterscheidet und im Fotografierbaren wiederum das bereits Fotografierte einrückt. Man kann es nicht immer gleich unterscheiden, und daraus entsteht die beunruhigende Dichte, die pathologische Nähe zum Gesehenen, die sich nur lösen läßt, wenn man das akribisch geführte Register, das sich hinten im Buch befindet, mitliest. So stehen sich auf den Seiten 62 und 63 zwei Porträts rauchender Frauen gegenüber, wobei das gegenwärtigere Gesicht links nichts anderes darstellt als die Reproduktion eines Romantitels und das düstere Profil auf der rechten Seite ein Porträt ist, das Prince vor vierzehn Jahren von Rosemarie Moore in seinem Fulton Street Atelier gemacht hat. Das Buch zeigt auf mehr als 230 Seiten Fotografien in Farbe, fast durchweg randlos, oft in einem kalten Blauton.

Die Pendants sind mit einer gewissen, meist unaufdringlichen, Sinnfälligkeit gewählt. Auf Seite 132 zum Beispiel sieht man die Ruine eines Hauses, das mal ein Laden war und an der Stirnwand nur (noch) die Schrift: „BODY“ trägt. Kahle Bäume und müdes Licht deuten auf Winter. Unten links im Bild erscheint der Kühlergrill einer Limousine. Das gegenüberliegende Bild zeigt in metallischem Blau den Ausblick auf eine Lichtung, auf der die Miniatur eines Holzhauses zu stehen scheint. Ein paar Meter daneben liegt ein Hund. Das Haus, seine Hütte, trägt die Beschriftung „Vicious“.

Das verfallene Haus, das bewohnte; die Worte auf beiden Seiten, die sich fügen: „Körper/böse“; das menschliche Ambiente, das tierische; das monströse Haus gegen seine Miniatur. Die nächste Doppelseite kombiniert den Blick auf eine winterliche Landstraße mit einer Aufnahme im Haus; auch hier sind Parallelmotive zu entdecken. Langsam erkennt man den Modus (er ist beiläufig), das Motiv (nah am Tagebuch) und den Radius des Fotografen: seine Wohnungen, Ateliers und Galerien und die Wege dazwischen, sofern sie mit dem Auto zurückgelegt werden. Ein solcher Blick ist auf luxuriöse Weise beengt, aber das Luxuriöse wird von Prince hinterhältig bedient, mit diesem insistierenden Interesse am Profanen, Öden und Stereotypen. Als bildender Künstler ist Prince bekannt für eine Serie von Gemälden, für die er beknackte Illustriertenwitze auf monochrome Flächen gemalt hat (eine Verernstung der Witze und eine Veralberung cooler Malerei); für seine monochrom bemalten Motorhauben großer Autos; für seine fotografischen Montagen gefundener Bilder, am ausgiebigsten und haltbarsten wohl die aus Biker-Magazinen, mit deren ins Fetischistische und Selbstgequälte gewendeter Späthippiekultur. Seine Präsentationen sind meist gut verständliche Bild- oder Objektserien gewesen, im Gegensatz zu Mike Kelley, der die Flusigkeit und Unüberschaubarkeit seiner profanen Quellen in das Museumsambiente hineinträgt.

In diesem Buch „Adult Comedy Action Drama“ erreicht nun Prince genau den Grad schwer widerlegbarer Abgeschmacktheit, die man von Kelley aus Installationen kennt. Locker gewöhnt man sich beim Blättern an Witze wie solche: „Meine erste Freundin hieß Sally. War das ein Mädchen, war das ein Mädchen. Das fragten mich die Leute immer.“

Die Methode des Fotografen, Bilder zu machen, ist nicht kenntnislos, aber amateurhaft: nie würde ein Landschaftsfotograf so eine Landschaft oder ein Reprofotograf so ein Bild fotografieren. Die Chance, mit viel Aufwand ein Buch zu drucken, kann man ja als Vehikel von Edlem nutzen wie als Vehikel des Abgeschmackten, und das letztere tut Prince. Vielleicht hat er sich das von Larry Clark abgeguckt, aber Prince hat für die Dichte eines Buchs jetzt mehr Material als Clark, weil Prince seine Kunst (und auch seine Kunstsammlung) recycelt und nicht sein fotografisches Material. Der Modus der Binnensicht ist neu und zeigt die universale Präokkupation des Künstlers mit Dingen, die schnell erklärt sind und dennoch psychisch relevant. Von Prince kann man lernen, daß nicht die Pornographie schäbig ist, sondern der Modus, der den Zugang zu ihr definiert. Ob das so sein muß oder nicht, darüber sagt der Bildband nichts. Aber er zeigt – viel weniger erzwungen als zum Beispiel bei Paul Graham –, daß die Schwierigkeit, „hinaus“ zu sehen, nicht der Urzustand der Mediengesellschaft, sondern Produkt einer Fixierung ist. Prince zeigt sich ohne Wehleidigkeit und ohne Stolz als deren Opfer, als Leser dummer Witze, nicht als Maler ihrer Kritik. Diese Reduktion auf den ekligen Deal von Schmuddel und Libido kann Prince nur in einem Medium transportieren, dessen er sich nun bemächtigt: als Autor einer fotografischen Monographie. Es ist wohl die schwierigste, die man zur Zeit käuflich erwerben kann.

Richard Prince: „Adult Comedy Action Drama“. Gestaltung Hans Werner Holzwarth. Scalo Verlag, Zürich, 239 Seiten, 128 DM.