■ Außenminister Kosyrew wird von Jelzin entlassen
: Ende der Dienstreise

Außenminister Andrej Kosyrew wird gehen, nun ist offiziell, was seit gut drei Jahren turnusmäßig spekuliert wurde: Rücktritt oder Entlassung eines Außenministers, der den nationalistischen und chauvinistischen Kräften im Parlament seit jeher ein Dorn im Auge war.

Der Abgang auf Raten ist ungewöhnlich. Denn Kosyrew bleibt im Amt, bis ein „geeigneter Kandidat“ gefunden wird. Das muß für den Außenminister besonders verletzend sein, den Präsident Jelzin immerhin jahrelang gegen alle Anfeindungen schützte. Den Läufer gibt man erst preis, wenn der Druck zu stark wird und das Opfer einen strategischen Vorteil birgt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint der Zug auf den ersten Blick vergeudet. Die Parlamentswahlen finden schließlich erst im Dezember statt.

Unzufriedenheit mit dem Außenminister hatte Jelzin schon des öfteren bekundet. Das Ministerium hätte zuwenig getan, um die Interessen Rußlands in der Weltpolitik zu wahren. Man warf ihm vor, zu lange die Nachfolgestaaten der UdSSR, die Rußland als seinen angestammten Vorgarten versteht, nicht beachtet zu haben. Gründe, ihn deswegen zu entlassen, hätte es genügend gegeben. Wohl wird sich die Entourage um Jelzin auch darüber im klaren sein, daß es keinem Außenminister gegeben ist, das zu erreichen, was mit der Realität nicht übereinstimmt. Nämlich das Gewicht Rußlands auf der Weltbühne zu erhöhen, die Rolle der Supermacht herbeizureden, von der Rußland derzeit so weit entfernt ist wie nie zuvor. Kosyrew besaß kaum Spielraum, er hätte nur wilder gestikulieren können. Wie gesagt, die Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt hat etwas Erratisches.

Es scheint so, als kündige Jelzin damit seine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen im Juni an. Gleichzeitig hält er sich für die Parlamentswahlen im Dezember den Rücken frei, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Will Jelzin noch eine Amtsperiode überstehen, muß er außerordentliche Geschmeidigkeit an den Tag legen, offen sein für Koalitionspartner, denen er noch vor Jahresfrist nicht die Hand gegeben hätte. Voraussichtlich werden in den nächsten Wochen auch noch andere Ressorts umbesetzt. Doch all das bedeutet nicht sogleich einen dramatischen Kurswechsel in der Außenpolitik, Abkehr vom Westen und Rückfall in die Isolation. Der Kreml übt sich schon seit längerem in Distanz, ohne aber von der Grundrichtung abzuweichen. Noch sollte der Westen nicht in Panik verfallen.

Klaus-Helge Donath