Subtile Breitseiten

■ Kultautor Max Goldt las in der überfüllten Stadtwaage

Duz- bzw. Siez-Strategien für alltägliche und besondere (“Darf man den Herbst duzen?“) Anlässe zu entwickeln, ist eine der vielen vornehmen Pflichten, denen Max Goldt sich verschrieben hat. Über den langjährigen Titanic-Kolumnisten Onkel Max, der inzwischen zum Liebling der Feuilletons – auch der sogenannten angesehenen – aufgestiegen ist, brauchen nicht viele erklärende Worte verloren werden. Vielleicht nur soviel: Goldt gehörte damals zur Neue Deutsche Welle-Band (Sie erinnern sich?) „Foyer des Arts“, die uns den 80er Jahren immer mit Wissenswertem über Erlangen belieferte. Texte von Goldt haben bundesweit Konjunktur, gerne werden sie auch als szenische Lesung von allerlei Schauspielgruppen verarbeitet.

Am Donnerstag abend kam Max Goldt endlich mal persönlich nach Bremen. Die Goldt-Gemeinde hatte sich frühzeitig vor der Stadtwaage gesammelt, einen Sitzplatz bekam trotzdem nicht jeder. Pünktlich betritt der Mittdreißiger mit manuskriptgefüllter, trashiger Umhängetasche und freundlich-schlapperndem Hemd (eindeutig der Duz-Typ) den Saal, muß sich erst mal einen Flaschenöffner besorgen, um sein Lese-Mineralwasser zu öffnen und legt ohne Umschweife los.

Mit sonorer, wohlklingender Stimme liest er – ganz tournee-erprobt – seine vor bizarrer Komposita („Konsens-Overkill“, „Extrem-Eise“) und Alliterationen strotzenden Hypotaxen. Was bei Goldt nicht in der wenig sinnlichen, dünnen Luft sprachlicher Hochseilakte endet, sondern in einem unprätentiösen Rede-Rinnsal. Mal feuerte er subtile Breitseiten auf Gebiete vernachlässigter feuilletonistischer Aufmerksamkeit ab (etwa die Leiden von Allibert-Schrank-NutzerInnen), dann versucht er sich an pornographischen Texten – „in denen aber keine pornographischen Vokabeln vorkommen“.

Nach 75 Minuten und einer Zugabe strebt der Autor ohne Umschweife dem Ausgang entgegen – die Mehrgenerations-Fangemeinde ist hochzufrieden (“Genial, der Mann“, munkelt es vor der Stadtwaage). Max Goldt live, das mußte mal wieder sein, mehr als dieser 75 Minuten hätte es aber auch nicht bedurft. Man muß schlußmachen, wenn's am schönsten ist. Das weiß Onkel Max natürlich auch.

Alexander Musik