Wand und Boden: Tobende Katzen
■ Kunst in Berlin jetzt: Hörnschemeyer, Warhol, Eichhorn, (e.) Twin Gabriel
Über 140 Fachbegriffe zum Thema „Bauen“ sind auf der Einladung von Franka Hörnschemeyer abgedruckt. Hinter jeder sauber gezogenen Hauswand scheint ein diffiziles Sprachspiel zu stecken, komplexer als der Hammer, den Wittgenstein in den „vermischten Bemerkungen über die Sprache“ vom Lehrling die Leiter heraufreichen läßt. Hörnschemeyer sucht im Keller der Galerie Peking nach architektonischen Lösungen für das strukturelle Problem. Wie lassen sich Übergänge gestalten? Und wie finden letztlich Innenraum und Außenraum zueinander?
„Long John Silver“ besteht aus verschlungen durch die insgesamt fünf Kammern gezogenen Rigips-Wände, deren eine Vorderfläche wie eine monochrom lindgrüne Leinwand wirkt. Auf der Rückseite sind die Bauteile mit DIN-Normen, bzw. Firmenlogo bedruckt und an Chromleisten geschraubt. Die reine Oberfläche sozusagen und dahinter das Gestrüpp aus Bezeichnungen, die diese Fläche definieren. Wäre die Arbeit der 1958 in Osnabrück geborenen Bildhauerin nur didaktisch, hätte vielleicht eine einzelne Platte nebst Informations-Beiblatt genügt. Tatsächlich aber soll man sich in den unzähligen Winkeln und überlappenden Gängen verlaufen können, wie in einer Installation Bruce Naumans. Keine Ordnung ohne den Reiz des Zufälligen und Irrbaren. Matt Mullican jedenfalls hat zur Eröffnung alle Kanten gemustert und für gut befunden.
Bis 5. 11., Sa./So. 16–20 Uhr, Kastanienallee 86
Max Hetzler tut viel für die Stadt. Als er Cy Twombly in seinen Galerieräumen an der Zimmerstraße 88 zeigte, war das ein Vorgriff auf die Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie. Auch mit den Porträts von Andy Warhol betätigt er sich als Pädagoge, der für die rund um die Friedrichstraße stolpernden Touristen ein kleines Museum parat hat. Verkaufen kann er die schillernden elf Siebdrucke, deren Preis gar nicht erst mit aushängt, wohl kaum. Sie sind mehr zum Genießen. Schon die Auswahl der porträtierten Persönlichkeiten ist geschickt und Pop-orientiert: Georgia O'Keeffe als verknitterte 78jährige in Blau etwa, die auf verblüffende Weise Giscard d'Estaing ähnelt; oder das in frostigem Schwarz gehaltene Bild von Robert Mapplethorpe, 1983. Daneben wirkt der sepiagetönte Dennis Hopper 1971 mit seinem glasigen Blick wie ein melancholisches Überbleibsel der Jefferson-Airplane-Ära.
Das Haar von Mick Jagger hat Warhol zusätzlich mit groben Strichen überarbeiten müssen, damit es pflaumenfarben glänzt. Überhaupt zeigen die Drucke, daß es ihm nie nur um eine eingefärbte Reproduktion der Prominenz ging. Warhol stilisiert bis ins Detail: Unscheinbar schwarz verläuft ein Schattenriß den nackten Körper der Galeristin Pat Hearn entlang und hebt wie zufällig ihren spitzen Busen hervor – nicht erotisch, sondern elegant.
Bis 4. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr.
Während man Warhol für die banale Schönheit des Alltags mag, kommen die meisten bei Maria Eichhorn ins Grübeln. Wieviel Konzept steckt hinter den Holzregalen, Schreibtischen, Kinderstühlchen und Mineralwasserkisten, die in der Galerie Barbara Weiss ausgestellt sind – zumal etwa das Set „Hocker/Filzstifte/2 Schablonen/Wandbeschriftung“ 8.000 DM kostet? Dabei liegt die Frage, ob man eine Wandbeschriftung tatsächlich kaufen kann, doch viel näher, und der Preis soll niemanden vom Denken abhalten. Eichhorn arbeitet mit den Situationen vor Ort, in der Potsdamer Straße 93 hat sie ein offenes Atelier eingerichtet, „das sich unter Beteiligung der BesucherInnen permanent verändert“. Doch die Installation aus fein zueinander geordneten Möbeln, Merve-Büchern über Feminismus und Politpostern bleibt seltsam schwebend – zugleich asketisch, doch mit Leichtigkeit über die Räume verteilt.
Auf dem Boden liegt eine heruntergefallene Postkarte, in der Ecke angelehnt steht eine grüne Plastiktüte. Man kann gar nicht umhin, neugierig zu schnüffeln, und doch mag man nichts anfassen, damit diese fremde Ordnung nicht beschädigt wird. Eichhorn will dem Gast die Angst vor der hermetischen Kunst nehmen, aber sie verlangt Respekt vor den Dingen. Die BZ hat sie vielleicht wegen der behutsamen Strenge der Arbeiten als „Künstlerin mit Pokerface“ charakterisiert. Es ist erstaunlich, wie ernst die Volkszeitung zeitgenössische Kunst doch nimmt.
Bis 28. 10., Di.–Fr. 12–18, Sa. 11–14 Uhr.
Hier die Galerie, dort das „museum:“ – nicht Anknüpfungspunkt zur Kunstgeschichte, sondern sozialer Tummelplatz. (e.) Twin Gabriel hat in der Konzeptreihe des Art Acker e.V. ebenfalls biographisches Material ausgelegt, wenn auch esoterisch verfremdet. Eine Sperrholzplatte an einem Gummizug läßt die Besucher über die Schwelle stolpern, ein grüner Vorhang verkündet „Abriß Äthermuseum und Flophaus“, dahinter läuft ein Video mit tobenden Katzen. Gabriel remixt DDR-Vergangenheit: Wie lange ist der Kult ums Scheitern von Lebensentwürfen en vogue?
Das Äthermuseum, in den späten achtziger Jahren angelegt, war eine Schnapsidee, ein Rückzug der Kunst vor dem System. Nach der Wende galt es als Widerstand. Nun spielt (e.) Twin Gabriel mit Bruchstücken, die sich dem Anspruch eines künstlerischen Auftrags durch den Berufsverband ebenso entziehen konnten wie dem nachrückenden Markt. Der Trick besteht in einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber den Objekten, die man ausstellt: Nur ein beschädigtes Kunstwerk ist gut. Die Tonspur zum Videoband wurde zerhackt, was die Stimme der Erzählerin noch interessanter klingen läßt. Auf dem Tape wiederum ist von der Geschichte der DDR-Off-Szene die Rede, die ja auch so nie stattgefunden hat. Komplex und gewitzt.
Bis 25. 11., Do.–Fr. 16–19, Sa. 11–14 Uhr, Ackerstraße 18 Harald Fricke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen