■ Kommunales Wahlrecht nur für EU-Bürger ist spalterisch
: Die besseren Ausländer

Es ist gut, daß sich 54.000 nichtdeutsche EG-Bürgerinnen und -Bürger erstmals bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung in Berlin beteiligen dürfen. Aber von dieser europäischen Gabe kann nur ein Bruchteil der EinwanderInnen profitieren. Der Maastricht-Vertrag behandelt die ImmigrantInnen und Flüchtlinge genauso wie das deutsche Ausländergesetz. ImmigrantInnen und Flüchtlinge werden von vielen demokratischen Entscheidungen ausgeschlossen. Das Wahlrecht für EU-BürgerInnen hat die vorhandene Zweiklassengesellschaft vertieft.

Im Jahre 1991 hat das Bundesverfassungsgericht das „Ausländerwahlrecht“ abgelehnt. „Ausländer“ sind nach diesem Urteil „Mitbürger“ und keine Bürger der Bundesrepublik. Also werden ihnen weiterhin bürgerliche Rechte – dazu gehört auch das Wahlrecht – vorenthalten. Ein Türke, der in Holland im Besitz eines holländischen Passes ist und seit drei Monaten seinen Wohnsitz in Berlin hat, darf wählen und gewählt werden. Seine Schwester, die seit zwölf Jahren in Berlin lebt, ist von den Wahlen ausgeschlossen.

Das moderne Europa baut sich aus vielen unterschiedlichen Maßstäben und Wertorientierungen auf. Der arrogante Ethnozentrismus der deutschen Gesetzgebung und Rechtssprechung verkennt die Zeichen der Zeit, verweigert sich der Aufgabe der Mitgestaltung Europas. Aber das Europaparlament erteilt den rückwärts gewandten Politikern und Richtern eine andere Lektion. Es hat das „Deutschsein“ als Bedingung für staatsbürgerliche Rechte, wie das Bundesverfassungsgericht es forderte, für null und nichtig erklärt. Der starrköpfigen Verbindung von bürgerlichen Rechten und deutscher Staatsbürgerschaft wird damit eine prinzipielle Absage erteilt.

Hingegen dient die Einführung des kommunalen Wahlrechts lediglich auf EU-Ebene nur der Spaltung der EinwanderInnen. Demokratische Beteiligung muß auch Dritte-Welt-BürgerInnen zuteil werden. Wenn das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger nicht verfassungswidrig ist, muß dafür gesorgt werden, daß auch die Wahlmöglichgkeit für Dritte-Welt- BürgerInnen verfassungskonform wird – wenn nötig durch Verfassungsänderung. Eine Integration der ImmigrantInnen und Flüchtlinge ist ohne politische Rechte auf Dauer unmöglich. Kambiz Behbahani

Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen