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Schlager allererster Kajüte

■ Trotz Nasenspray und Witzen auf Kosten von Elefanten: „Ja König Ja“ gaben ein starkes Konzert vor schwachem Publikum

Hoch droben in der Tower-Bar gehen zwar die Uhren nicht anders als drunten in der Tower-Diskothek, aber mit Sicherheit die Konzerte. Zumindest, wenn das Hamburger Duo „Ja König Ja“ geladen ist, das den heftigeren Tönen dieser harten Zeiten abgeschworen hat und vorwiegend mit Gitarre, Cello und diversen Kleininstrumenten Musik macht. Jene Musik läßt sich am besten sitzend herstellen und genießen, was zum Bremer Auftritt doppelt gelegen kam: Erstens war es ein Sonntagabend, zweitens ist jetzt wieder Grippezeit, und wer nicht zumindest ein bißchen kränkelt, der macht zu wenig aus seinem Leben.

Im sprichwörtlichen Sinne hätte die männliche „Ja König Ja“-Hälfte Jakobus Siebels davon ein Lied singen können, tatsächlich hatte er aber kein Lied über Krankheit im Programm. Dafür kämpfte er mit einer anständigen Erkältung, was er dem Publikum ohne Unterlaß unter die eigenen Nasen rieb. Ständig schnäuzte er ins Mikrofon, stöhnte und seufzte, lamentierte, benutzte zwischen den Songs in aller Seelenruhe sein Nasenspray, und fiel zu guter letzt sogar schreiend vom Stuhl, gab aber zu: „Alles nur Showbusiness!“

Ansonsten setzte das ursprüngliche Doppel, das für den Auftritt durch einen jungen Mann an diversen Gastinstrumenten zum Dreier wurde, weniger auf Show und mehr auf Musikalität. Wirken die Songs auf ihrem Debüt-Album zwar charmant ohne Ende, haben sie gleichwohl beim kompletten Durchhören eine Tendenz zum Im-Hintergrund-verschwinden. Nicht so live. Gleich bei den ersten Tönen des lebhaft brummenden Cellos und der fröhlich hüpfenden Gitarre stellte sich eine wohlige Gänsehaut ein, und es wurde deutlich, daß die Woche einen so krönenden Abschluß gefunden hatte, daß in der nächsten erst mal kommen könne, was wolle. Und von Lied zu Lied stieg der Reiz des Dargebotenen noch. Obwohl textlich vordergründig meistens ironische Distanz zum allgegenwärtigen Thema Liebe gewahrt wurde, war Etliches wohl doch ernst und ehrlich gemeint und kam auch so rüber. Da konnte man „Tauschen, teilen, ziehen, gehen“ noch so lapidar als einen „Schlager allererster Kajüte“ ankündigen; es blieb eines der schönsten in den letzten Jahren erdachten Lieder.

Das Publikum gab sich trotz allem zurückhaltend. Applaus gab es in regelmäßigen sparsamen Dosierungen, als hätte man nicht soviel dabei. Da mußte Cellistin/Mitsängerin Ebba Durstewitz schon mal verunsichert fragen „Habt ihr auch Spaß?“ oder „Wie gefällt es euch denn so?“ Darauf ernteten sie dann wenigstens ein langezogenes „Schöööön.“ Siebels Kommentar zum Beifallverhalten: „Brav.“

Brav stimmte er auch immer wieder seine Gitarre, besonders das A, was die Mitmusikerin nicht einsehen mochte: „Das hören die doch sowieso nicht!“ In den so entstandenen Pausen versuchten ihre Kollegen immer wieder, sie zum Erzählen des Witzes „mit dem Elefanten“ zu nötigen, den sie schließlich unter dem üblichen „Der ist sowieso nicht komisch/darüber hat gestern auch keiner gelacht“-Protest zum besten gab, und der gelesen noch unkomischer als gehört sein dürfte: „Ein Elefant steht am Nil und trinkt Wasser. Da kommt ein Krokodil vorbeigeschwommen und beißt ihm in den Rüssel. Da sagt der Elefant: (an dieser Stelle muß sich der oder die Erzählende die Nase zuhalten) ,Mann, hier ist aber was los!'“

„Ja König Ja“ sind so gut, daß sogar das genial war.

Andreas Neuenkirchen

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