■ Das Politische auf dem Müllhaufen der Geschichte
: Wie modern ist die Postmoderne?

Daß wir in postmodernen Zeiten leben, schallt uns aus vielen gebildeten Medien entgegen. So differenziert die philosophische Debatte über die Hinfälligkeit absoluter Wahrheiten die achtziger Jahre beflügelt hat, so entpolitisierend wirkt sie sich heute aus.

Eher bekennen sich selbst meine nettesten politischen FreundInnen trotzig als rechts denn als politisch links-antiquiert. Gnadenlos kultiviert wird das Politische schlechthin auf den Müllhaufen der Geschichte deponiert. Links und rechts werden als überholte politische Kategorien des 19. Jahrhunderts zurückgewiesen. Nur die Junge Freiheit und andere Libertäre sind noch urteilssicher. Sie kämpfen aufgeregt gegen die P.C.- Front, die für sie von Linken und Feministinnen übermächtig gehalten wird. Der Anti-P.C.-Liga ist es gelungen, sich selbst als aufrecht und bewegt antiideologisch zu präsentieren, wogegen die Feministinnen und die Linken als totalitär verbohrt und illiberal herzuhalten haben.

Wenngleich Erfahrungen solcher Art nicht widersprochen werden kann, wundert es doch, warum nicht aller postmoderner Geist aufgeboten wird, um von der Moderne das Soziale zu retten. Der linke Kehraus gilt besonders denen als neue Erlösung, die zuvor allein von und in der Politik die Heilung von allen Übeln erwartet hatten. Nun fühlen sie sich vom Leben bestraft und machen die Politik dafür verantwortlich, daß sie in der Liebe zu kurz gekommen sind. Um so mehr nostalgieren sie familiären Traditionen hinterher, die ihnen verlorengegangene Sicherheiten vorgaukeln.

Wo weder links noch rechts Tröstungen zu erwarten sind, macht sich der heilige Markt breit; Erfolg sei die Ästhetik unserer Zeit, verkündet ein Haute-Couture-Salon, und das kostet. Für viele von den ehemals Linken ist das Rechte ganz einfach steuerprogressiv zu erklären; innerlich liberal, äußerlich steuerunwillig, räsonieren sie geschichtsphilosophisch viel zu spät über den Stalinismus, der ihnen politisch das Prollige des Proletariats schmerzhaft zu nah kommen ließ. Bürgerlich einst verklärt, wird es heute sich selbst überlassen und dumpf für die nationale Standortsicherung instrumentalisiert. Die 68er UtopistInnen beider Geschlechter schüren postmodern-perspektivlos die ärgsten Probleme für die einst beschworenen Massen.

Einmal um ihre Illusionen betrogen, agieren sie realitätstüchtig für ihre Positionen, daß einem ganz schwarz vor Augen wird. Die feministisch-links längst überfällige Differenzdebatte gegen totalitäre Fortschrittskonzepte droht von rechts vereinnahmt zu werden, weil von links Gleichheitsvorstellungen als politisches Vakuum behandelt werden. So ermöglicht die Postmoderne ein politisches Desinteresse mit katastrophalen sozialen Folgen.

Beim Berliner Wahlkampf hat eine Moderatorin (früher taz, dann Tagesspiegel, nun Wochenpost) nörgelnd die Grünen ob ihrer Klientelpolitik für die Lehrer und Arbeitslosen attackiert. Das ist ein beredtes Beispiel dafür, wie modern reaktionär in den Neunzigern soziale Probleme politisch moderiert werden. Halina Bendkowski