■ In der Nazi-Zeit spurten sie brav. Nach dem Krieg kamen sie ganz groß raus: Henri Nannen, Werner Höfer und Elisabeth Noelle-Neumann. Der Publizist Otto Köhler hat sich die braune Vergangenheit deutscher Journalisten vorgenommen
: Die Karrie

Vor 1945 trommelten sie für Hitler und hetzten gegen die Juden. Nach 1945 machten sie meist nahtlos weiter – jetzt in Diensten des CDU-Staats und/oder seiner (Springer-)Leitmedien. Ihre braune Vergangenheit verschwiegen sie, ihrer nationalistischen und antisemitischen Gesinnung blieben sie treu: Elisabeth Noelle- Neumann, Paul Carell, Karl Korn, Joachim Fernau, Klaus Mehnert, Emil Dovifat und viele mehr. Erst im Jahr 1987 begann eine kurze und ziemlich schmerzlose öffentliche Diskussion um die Schreibmaschinentäter des Dritten Reichs. An den Fällen des damals noch lebenden „Frühschoppen“-Moderators Werner Höfer (WDR) und des bereits verstorbenen dpa- Chefs Fritz Sänger wurde deutlich, wie einfach es sich die Journalisten gemacht hatten: „Sie haben es mir hineingeschrieben“, lautete die übliche Ausrede. „Ich wollte überleben“, war die Durchhaltebegründung der Durchhalteschreiber.

Das lesbarste und genaueste Buch über „Die verdrängte Vergangenheit der Medienmacher“ stammt von dem Hamburger Journalisten Otto Köhler. Seine Arbeit begann 1988. Damals wollte der Econ-Verlag ein Buch über die Kontinuität der Karrieren von Nazi-Propagandisten. Dann aber zogen die Düsseldorfer plötzlich zurück. Der linke, von der DDR alimentierte Pahl-Rugenstein Verlag sprang ein, und das Buch „Wir Schreibmaschinentäter“ erschien. Doch nach 1989 ging Pahl-Rugenstein pleite, die Auflage verschwand im Keller eines Konkursverwalters. Jetzt ist Köhlers Buch wieder zu haben – als überarbeitete Neuerscheinung unter dem Titel „Unheimliche Publizisten“.

Das Buch überzeugt nicht nur durch die präzise Recherche, sondern auch durch die genaue Darstellung der 14 porträtierten Journalisten (samt einer großen Zahl von Nebenfiguren). Köhler kommt niemals wissenschaftlich neutral daher: Er ist ein Linker, und so schreibt er auch. Mal gallig, mal ironisch, mal mit schwarzem Humor – und immer mit Verweisen auf die anderen Themen, die ihm wichtig sind: Verbrechen der Wehrmacht, NS-Deserteure, die Vergangenheit der IG Farben und der Deutschen Bank und die bundesdeutsche Anschlußpolitik nach 1989.

Von den Wunderwaffen zum Wirtschaftswunder – es sind die Karrieren von Wiederverwendbaren, die Köhler beschreibt. Es war nur wenig Umstellung nötig, schon bald nach dem Zusammenbruch die saubere Wehrmacht zu preisen, die Wiederbewaffnung zu propagieren, gegen rebellierende Studenten oder Kollegen wie Erich Kuby zu hetzen, die DDR und die Ostpolitik der SPD niederzumachen.

Am unheimlichsten an den „Unheimlichen Publizisten“ aber ist, wie sie gegenseitig ihre Karrieren förderten, sich durch Rezensionskartelle stützten und sich in ihren Memoiren gegenseitig zu Widerstandskämpfern adelten. Allein im engeren Kreis um den Pressezaren Axel Springer waren drei hochkarätige Nazi-Journalisten tätig: Horst Mahnke, Ivar Lissner und Paul Carell.

Carell war unter seinem wirklichen Namen Paul Karl Schmidt eine zentrale Figur des Dritten Reichs gewesen: Sprecher von Ribbentrop, Chef der Nachrichten- und Presseabteilung im Auswärtigen Amt. Damals schrieb er Sätze wie: „Die Judenfrage ist allein eine Frage der politischen Hygiene.“ Nach 1945 wurde er der bundesdeutsche Chronist des ach so ehrenvollen „Unternehmens Barbarossa“ und veröffentlichte unter dem Namen Carell ein Heldenepos nach dem anderen. Über die Invasion der Alliierten floß ihm für eine Serie der Springer-Zeitschrift Kristall 1959 folgender Satz aus der Feder: „Die Nacht ist die Freundin der Diebe, der Einbrecher und der Angreifer.“ Einmal Propaganda, immer Propaganda. Hans Hermann Kotte

Otto Köhler (unter Mitarbeit von Monika Köhler): „Unheimliche Publizisten – Die verdrängte Vergangenheit der Medienmacher“. Knaur-Taschenbuch, 464 Seiten, 16,90 DM.