■ Herbstgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen Institute
: Mehr Massenkaufkraft?

Gegenüber dem Frühjahrsgutachten der Institute mußte die Prognose zum wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland für dieses Jahr von 3 auf 2,25 Prozent reduziert werden. Ursache der Fehlprognose: Die Exportentwicklung und die Dynamik der Sachinvestitionen wurden überschätzt. Hingegen wurde die Notwendigkeit vernachlässigt, Vorsorge für die binnenwirtschaftliche Nachfrage zu treffen.

Die Korrektur der Prognose zum Wirtschaftswachstum durch die Bundesregierung für 1996 mit 3 Prozent auf 2,5 Prozent ist noch sehr optimistisch. Die Institute setzen auf die Stärkung des privaten Konsums. Sicherlich wirken die Entlastungen durch das „Jahressteuergesetz 96“ in diese Richtung. Die damit verbundenen Hoffnungen sind indes übertrieben: Steuersenkungen bei den oberen und mittleren Einkommensbeziehern werden den privaten Konsum nicht ausweiten, sondern zu verstärktem Sparen führen; die gegenüber 1995 niedriger angenommenen Tariflohnabschlüsse stärken kaum die Massenkaufkraft. Belastend wird auch die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge wirken. Schließlich werden Kürzungen des Sozialtransfers unter der Bedingung steigender Arbeitslosigkeit die Kaufkraft schmälern.

Daß die deutschen Exporte nachließen, ist nicht nur auf die schwache Weltkonjunktur zurückzuführen. Die starke D-Mark wird zum Verhängnis der Konjunktur. Inländische Kostenvorteile und damit günstige Preisrelationen gegenüber dem Ausland gehen durch die DM-Aufwertung im internationalen Wettbewerb wieder verloren. Die D-Mark ist derzeit überbewertet. Die Ursachen sind auch bei der Politik der Deutschen Bundesbank zu suchen. Sie beeinflußt derzeit die D-Mark mit ihrer Zinspolitik nur unter den zwei Zielen: Verbilligung der Importe zur Senkung der Inflationsrate und Sicherung einer lukrativen Anlagewährung. Notwendig wären jetzt aber Schritte, um die Überbewertung der D-Mark zu korrigieren.

Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute erklären zu Recht: Das Wirtschaftswachstum wird nicht ausreichen, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Bedauerlicherweise nehmen die Institute diese dramatische Fehlentwicklung auf den Arbeitsmärkten nicht zum Anlaß, ein koordiniertes Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorzustellen und Handlungsempfehlungen an die Politik auszusprechen. Rudolf Hickel

Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Bremen