Schäfer wankt mit Sicherheit

Im Mai verlangte der SPD-Minister einen Sicherheitsnachweis für das AKW Obrigheim nach der „harten“ US-Norm. Bleibt es dabei?  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Der Druck auf den baden-württembergischen Umweltminister Harald B. Schäfer (SPD), den Risikoreaktor Obrigheim (KWO) am Neckar nicht wieder ans Netz zu lassen, nimmt zu. Gestern veröffentlichten die Grünen im Stuttgarter Landtag einen Brief aus dem Hause Schäfer, in dem das Ministerium die Kraftwerksbetreiber ausdrücklich auffordert, den „Sprödbruchsicherheitsnachweis“ für die zentrale Schweißnaht am Reaktordruckbehälter des Altmeilers auch nach der von der amerikanischen Atomaufsichtbehörde NRC entwickelten Norm (Regulatory Guide 1.99) zu führen. Berechnet wird die Temperatur, bei der der abgekühlte Reaktorkessel nach einer Notkühlung spröde wird. Bisher sind sich alle Fachleute einig, daß dies das Aus für den 357-Megawatt-Meiler nach sich ziehen würde. Das Schreiben stammt vom 24. Mai dieses Jahres, als Schäfer entschlossen schien, dem Reaktor den Garaus zu machen.

Die Berechnung nach der US- Norm, heißt es in dem Brief, werde „spätestens dann bedeutsam“, wenn die Auswertung weiterer Proben „nicht zu einem eindeutigen Nachweis der Sprödbruchsicherheit führt“. Und weiter: „Das Umweltministerium legt ihnen dringend nahe, beide Wege der Nachweisführung parallel und sofort zu beschreiten.“ Doch genau das geschah nicht. Während die KWO-Betreiber im Verlauf der Sommerrevision nach eigenen Angaben für 37 Millionen Mark den Fehlerzustand der fraglichen Schweißnaht untersuchen ließen, während aufwendig weitere, aber nur „vermutlich repräsentative“ Proben getestet wurden, weigern sich die Betreiber – aus naheliegenden Gründen – bis heute, die vergleichsweise einfache Abschätzung der Sprödbruchübergangstemperatur nach „Regulatory Guide 1.99“ vorzulegen.

Die Mehrheit der Gutachter ist inzwischen der Auffassung, daß der Sicherheitsnachweis auf dem ersten Weg gelungen ist. Das Öko- Institut hält ihn nach wie vor für nicht erbracht. Und auch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin ist weiter überzeugt, daß „repräsentatives“ Probenmaterial nicht verfügbar und der genaue Werkstoffzustand der Schweißnaht weiter unbekannt sei. Die Grünen fürchten, daß das Umweltministerium „den Betreibern nachgegeben“ hat und nicht mehr auf der „parallelen und sofortigen“ Nachweisführung nach der US-Norm besteht. Der bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn warf dem SPD- Minister gestern vor, „einen Schlüssel zur Abschaltung von KWO ohne Not aus der Hand“ zu geben. Dagegen versicherte Schäfers Zentralstellenleiter Dieter Weingärtner der taz, von dem Schreiben vom 24. Mai gebe es „keine Abstriche“.