Nachschlag

■ Wissenswertes über die „Modestadt Berlin“ in der Brotfabrik

Gehäkeltes für Berlin im Jahr 2000

Wer zu spät kommt, steht zur Strafe in der letzten Reihe. Und in der Galerie der Brotfabrik, die schon fünfzig Leute überfüllen, müßte man von dort schon um die Ecke schauen können, um das Podium zu sehen, das in der „Stadt Gestalten“-Reihe nun „Anspruch und Realität“ der „Modestadt Berlin“ diskutiert. Immerhin war der blinde Einstieg vielversprechend: Herr Neuhaus, Verkaufsleiter von Peek & Cloppenburg, sprach gerade über den Unterschied zwischen Berlin und Ulm. Am Tauentzien wage man, auf Street- und Club-Wear-Adaptionen zu setzten. Und tröstlich, von Martin Wuttke und Uta Riechers (NEXT G+U+R+U NOW) zu hören, daß auch der, der zuerst da ist, nicht unbedingt der Gewinner sein müsse. Kommerziell gesehen.

Und das ist dann wohl die Realität Berlins: Es gibt jede Menge Schulen, die ModemacherInnen ausbilden, wie Evelin Brandt von Brandt Mode skeptisch anmerkte, und es gibt die entsprechenden Subkulturszenen, die diese ModemacherInnen kreativ herausfordern. Geht darin Berlins Anspruch, Modestadt zu sein, schon auf? Cathy Boom, Modejournalistin von Style, meinte, ja: Die BerlinerInnen mögen modischer gekleidet sein als die Ulmer, modebewußt seien sie nicht. Wuttke hielt dagegen: Er könne es nicht mehr hören, daß Berlin keine Modestadt sei – sie sei natürlich keine. Das Publikum lachte zustimmend und erfuhr später aus seinen eigenen Reihen, daß alle Welt Trend-Scouts nach Berlin schicke. Die einzigen, die dies nicht wüßten, seien die BerlinerInnen. Was fehlt der Trendstadt zur Modestadt, fragte Moderator Thomas Herr – eine Modemesse? Nein, meinte Evelin Brandt. Und Uta Riechers: eher die Modepresse, die der Mode Bedeutung gibt. Die Schauen, das Kapital, so Rolf Rautenberg von der Kunsthochschule Weißensee. Eigentlich alles. Vielleicht aber noch viel mehr: die Prominenz, die sich auch an diesem Abend nicht interessierte; die Medien und die MedienarbeiterInnen, die den Hype auch auf dem Körper tragen; die Werbung und ihre Agenturen, die ihre Scouts nach Berlin schicken, weil sie selbst anderswo sind; Secondhandläden wie in L.A., in denen man Patrick Cox' „Wannabes“ jetzt für 15 Dollar kriegt – den Schuh, der Berlin derzeit am besten gefällt. Brigitte Werneburg