Ukraine will Ökologiezwang

Dritte Umweltministerkonferenz beschließt Strategien zum Schutz der osteuropäischen Tiere und der westlichen Unternehmer  ■ Aus Sofia Keno Verseck

Sofia (taz) – „Es ist Zeit, daß den Worten Taten folgen.“ Diese Forderung des ukrainischen Umweltministers Jurij Kostenko setzt voraus, daß die Teilnehmer der Dritten Ministerkonferenz „Umwelt für Europa“ in Sofia vorher deutliche Worte gesprochen hätten. Doch vor allem Redner aus westlichen Ländern zählten meist nur ihre mageren Erfolge auf.

Kostenko hingegen gab unumwunden zu, daß sich die Ukraine mit einem jährlichen Pro-Kopf- Verbrauch von 30 Tonnen natürlicher Ressourcen unter den größten Verschwendern dieser Art in Europa befindet. Er stellte schlicht fest, daß ukrainische Technologien veraltet und umweltfeindlich sind, Energie und Material verschleudern. Sein Vorschlag, einen internationalen Mechanismus zu entwickeln, der nationale Wirtschaften zu mehr ökologischer Orientierung zwingt, wurde von den Teilnehmern aus Europa, den USA und Kanada „begrüßt“ – und so einstweilen beiseite gelegt.

Ähnlich verfuhr die Konferenz mit unliebsamen Teilnehmern. Gleich zu Beginn wurden die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) aus der Vorbereitungsgruppe für die Abschlußerklärung ausgeschlossen und erst nach längeren Querelen wieder als Beobachter zugelassen. Vertreter der NGOs meinten dazu in einer Erklärung: „Während im Podium schöne Worte zu hören sind, wird hinter verschlossenen Türen offen um niedrigere Standards gefeilscht.“

So wurden die meisten Forderungen der NGOs in der Abschlußerklärung nicht berücksichtigt. Nachdem die „heißen“ Punkte – sofortige Einführung von Energie-, Kohlendioxid- und Flugbenzinsteuern sowie ein Atomteststopp – zunächst aus der Erklärung ausgeklammert waren, werden sie nun unverbindlich im Anhang genannt. Die USA und Kanada weigerten sich, diesen Anhang zu unterschreiben, was zumindest inoffiziell bei EU-Ländern Verärgerung hervorrief.

Kaum Fortschritt auch bei einem Hauptthema der Konferenz: Finanzhilfe für ökologische Projekte in Osteuropa. Lediglich der dänische Umweltminister Sven Auken sprach sich für ein stärkeres Engagement westlicher Staaten und Unternehmen bei ökologischen Projekten und Investitionen aus. Er blieb mit seinem Vorschlag allein. Fazit: Die Praxis „gebundener Hilfe“, bei der das meiste Geld für Technologie und Berater in die Geberländer zurückfließt, wird fortgeführt.

Von Unternehmerseite sind ebenfalls keine ökologischen Investitionen zu erwarten. Vertreter internationaler Konzerne machten sich in Sofia vielmehr dafür stark, daß bestehende Umweltschutzgesetze abgeschafft werden. An ihre Stelle sollen freiwillige Vereinbarungen treten, mit denen Standards dann unterlaufen werden können. Ein weiterer Schritt in diese Richtung: In Zukunft soll die Internationale Standardisierungsorganisation Umweltrichtlinien harmonisieren, und zwar unter Ausschluß der Öffentlichkeit. NGO-Vertreter befürchten, daß dabei ausschließlich nach unten korrigiert wird.

Lediglich die Annahme der „Paneuropäischen Strategie für biologische Vielfalt“ wollte NGO- Vertreter Alexander Zinke, Mitarbeiter beim World Wildlife Fund, als positiven Aspekt der Konferenz sehen. Diese Strategie könne zwar keine biologische Vielfalt im Westen retten, aber zur Rettung der Tierwelt in Europas „wildem Osten“ komme sie gerade noch rechtzeitig.

Geringer Fortschritt auch beim zweiten Hauptthema: der Verabschiedung des „Umweltprogrammes für Europa“, einer langfristigen gesamteuropäischen Umweltschutzstrategie. Die Abschlußerklärung der Minister sieht vor, daß der Prozeß ihrer Umsetzung überwacht und der Folgekonferenz in Kopenhagen 1997 berichtet wird. Der dänischen Umweltminister Sven Auken kommentierte: „Im Vergleich zu den vorangegangenen Konferenzen haben wir in Sofia manches erreicht.“