„Einsparen, wo mit der Gießkanne gegeben wurde“

■ Rainer Eppelmann (CDU), Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und Bundestagsabgeordneter, über Blüms Reformpläne

taz: Herr Eppelmann, Minister Blüm hat schon im Juli eine Reform der Arbeitslosenhilfe angekündigt. War abzusehen, daß die Arbeitslosenhilfe pauschal pro Jahr gekürzt werden soll?

Eppelmann: Darüber wurde im Vorfeld diskutiert. Es ist auch unstrittig, daß eine Reform notwendig ist. Wir müssen Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosenhilfe und Sozialversicherung enger miteinander verzahnen.

Was bedeutet diese Kürzung für die Betroffenen?

Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe, die im Vergleich zum Arbeitslosengeld schon reduziert ist, wird nicht einfach sein. Daher bin ich gegen eine pauschale Regelung. Entscheidend ist das persönliche Schicksal des betroffenen Menschen und sein Lebensumfeld.

Werden nicht gerade ältere Arbeitslose bestraft, die keinen Marktwert mehr haben?

Genau das darf nicht passieren. Ältere Arbeitnehmer, die aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels arbeitslos wurden und geringe Vermittlungschancen haben, dürfen nicht bestraft werden, sondern brauchen besondere Förderung. Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen denen, die eigene Vermittlungsversuche unternehmen und sich für Qualifizierungsmaßnahmen anbieten und denen, die sich zu passiven Empfängern der Arbeitslosenhilfe entwickeln. Wer sich um eine Verbesserung seiner Vermittlungschancen intensiv bemüht, muß von einer Reduzierung der Arbeitslosenhilfe ausgenommen werden.

Versucht der Bund, sich mit dieser Reform auf Kosten der Kommunen zu sanieren?

Der Vorwurf, daß sich der Bund zu Lasten der Kommunen und Länder saniert, ist ein Ablenkungsversuch einiger Ministerpräsidenten von eigenen Versäumnissen. Im Rahmen des Solidarpaktes hat der Bund den Ländern zusätzlich 0,7 Prozent von der Mehrwertsteuer eingeräumt. Das sind rund 15 Milliarden Mark. Hinzu kommt die Pflegeversicherung mit ihrer zweiten Stufe, die im Juni 1996 in Kraft tritt. Sie wird die Sozialhilfe um sieben bis acht Milliarden Mark entlasten.

Bedürftige Langzeitarbeitslose werden durch die geplanten Kürzungen zunehmend auf Sozialhilfe angewiesen sein. Damit wird das Problem doch nur verlagert.

Die Arbeitslosenhilfe muß so geregelt sein, daß eine Absenkung bis auf das Sozialhilfeniveau nicht eintritt. Entscheidend bei den Reformen ist, daß Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Fortbildung und Umschulung auch für Sozialhilfeempfänger geöffnet werden. Ziel muß sein, möglichst viele Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen.

Ist die Blümsche Reform nicht der Beginn der kompletten Demontage der Arbeitslosenhilfe?

Mit diesem Vorwurf muß sich die Union seit 1983 auseinandersetzen. Immer wieder wird die „totale Demontage des Sozialstaates“ von politisch Andersdenkenden ausgerufen. Das Gegenteil ist der Fall: Blüm hat die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert. Auch die Durchsetzung der Pflegeversicherung gegen den heftigsten Widerstand der Wirtschaftslobbyisten war kein Abbau, sondern Ausbau des Sozialstaates. Nun geht es darum, zu helfen, wo zu helfen ist, verstärkt zu unterstützen, wo dies notwendig ist und einzusparen, wo mit der Gießkanne gegeben wurde. Sparen muß wohl sein, aber gestaltend. Interview: Karin Nink